Ölpreis ist im Libyen-Hoch

Starker Anstieg kaum gerechtfertigt / Angst sorgt für Bewegung

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Die starken Ölpreissteigerungen der letzten Tage sind vor allem auf spekulative Börsenbewegungen zurückzuführen. Echte Probleme bei der Versorgung gibt es bislang nicht.

Berlin (dpa/ND). Die blutigen Unruhen in Libyen haben die Ölpreise in die Höhe getrieben. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Nordseeölsorte Brent war am Donnerstag in der Spitze auf 119,79 Dollar gestiegen, so hoch wie seit Ende August 2008 nicht mehr. Er fiel in der Folge auf gut 112 Dollar am Freitag, was im Wochenvergleich immer noch ein Plus von rund 10 Dollar bedeutete. Ein Barrel der US-Referenzsorte WTI kostete 98,30 Dollar; der deutliche Unterschied zur Sorte Brent gilt als ungewöhnlich.

Die EU-Kommission zeigte sich besorgt über die steigenden Ölpreise. »Es gibt keinen Zweifel: Steigende Energiepreise beeinflussen die Inflation negativ«, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. »Wir beobachten das sehr genau.« EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) sieht die Ölversorgung Europas indes nicht gefährdet. Das libysche Öl habe mit zehn Prozent einen eher geringen Anteil an den Ölimporten, sagte er am Freitag in Berlin bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats. Er sei sich sicher, dass Russland und die OPEC-Staaten »alles tun werden, um Lieferengpässe zu vermeiden«. Zudem seien die Lager in den EU-Staaten für mehrere Monate gefüllt. Wenn klar werde, dass keine Versorgungsengpässe drohen, würde sich die Lage an den Tankstellen auch wieder entspannen, betonte Oettinger.

Nach Angaben von Händlern liegt die aktuelle Ausfallquote in dem nordafrikanischen Land bei 400 000 Barrel pro Tag, was einem Viertel der libyschen Ölproduktion entspreche. Im schlimmsten Fall könne der Produktionsausfall auf bis zu eine Million Barrel am Tag steigen. Weltweit werden täglich 87 Millionen Barrel gefördert. Ausfälle bei einem Produzenten werden gewöhnlich von anderen Förderländern aufgefangen. Anders als die BASF-Tochter Wintershall fördert der größte spanische Mineralölkonzern Repsol YPF weiterhin in Libyen Erdöl. Die Produktion sei allerdings auf weniger als die Hälfte gesunken.

Nach Einschätzung des Rohstoffexperten Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft droht eine Ölkrise vorerst nicht. »Das Ganze ist im Moment noch nicht so dramatisch«, sagte er. Kritisch dürfte es aber werden, wenn Ölpipelines zerstört werden und die Unruhen auf andere wichtige Produzentenländer übergriffen. Im Moment sei das größte Problem die Angst, was noch alles passieren könnte. Analysten der Commerzbank rechnen wegen der für den 11. März in Saudi-Arabien angekündigten Proteste zunächst mit weiter steigenden Ölpreisen.

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz warnte vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Konjunktur. »Ein steigender Rohölpreis bedeutet einen Kaufkraftentzug und Gewinnreduktionen«, sagte der Chef des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag hätten die Unternehmen kaum Spielräume, ihre gestiegenen Energiekosten an die Konsumenten weiterzugeben.

Libyen ist für die deutsche Exportwirtschaft – Ausfuhren 2009: 1,13 Milliarden Euro – eher unbedeutend. Allerdings war das nordafrikanische Land im vergangenen halben Jahr der drittwichtigste Weizenkunde Deutschlands gewesen, wie die Agrarmarkt Informationsgesellschaft in Bonn mitteilte. Im Moment sei faktisch kein Handel möglich.


Lexikon

Brent ist die für Europa wichtigste Rohölsorte. Wegen ihres niedrigen Schwefelgehalts eignet sie sich besonders für die Benzinherstellung. Gefördert wird das Öl in der Nordsee aus vier Feldern, darunter dem zwischen den Shetlandinseln und Norwegen gelegenen Feld Brent. Über eine Pipeline gelangt es zum Ölterminal auf den Shetlandinseln, von wo aus es per Tankschiffen weitertransportiert wird. Gehandelt wird es in London an der Warenterminbörse ICE Futures. Das Ölfeld Brent hat sein Fördermaximum längst überschritten. ND

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