Obama setzt Bushs Tribunale fort

Neue Militärprozesse in Guantanamo angeordnet / Scharfe Kritik von Menschenrechtlern

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
USA-Präsident Barack Obama hat die Wiederaufnahme der umstrittenen Militärprozesse im Gefangenenlager Guantanamo verfügt.

Bei seinem Amtsantritt hatte Barack Obama noch versprochen, das international verurteilte Gefangenenlager Guantanamo innerhalb eines Jahres zu schließen. Ein weltweit begrüßter Schritt, der sich jedoch immer wieder verzögerte. Mit seinem jüngsten Erlass sorgt der USA-Präsident nun endgültig dafür, dass Guantanamo auf unabsehbare Zeit bestehen bleibt. Denn in dem vor zehn Jahren von seinem Vorgänger Bush errichteten Lager sollen künftig wieder Militärprozesse stattfinden.

Auch die hatte Obama nach seinem Einzug ins Weißen Haus ausgesetzt. Nun erklärte er, mit ihnen würden »Terroristen der Gerechtigkeit« zugeführt werden. Der Präsident schrieb zudem fest, dass als gefährlich geltende Terrorverdächtige weiter ohne Anklage festgehalten werden können.

Die Obama-Regierung habe die unbefristete Inhaftierung von Verdächtigen damit zum Standard erklärt und die »illegitimen« Militärtribunale wiederbelebt, kritisierte Anthony Romero, Direktor der Bürgerrechtsorganisation ACLU die Anordnung. Die Regeln für die unter Präsident Bush installierten Militärkommissionen seien mit Blick auf das »Strafrecht und internationales Recht unzureichend«. Bei »glaubhaften Beweisen« sollten Gefangene »vor einem Bundesgericht angeklagt werden«. Für Elisa Massimino, Vorsitzende der Menschenrechtsgruppe Human Rights First, ist das ein weiterer Schritt hinab zur »Institutionalisierung eines Regimes der Präventivverhaftungen«.

Washington hat auf seinem Militärstützpunkt Guantanamo Terrorverdächtige inhaftieren lassen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 festgenommen wurden. Da das Lager nicht auf USA-Staatsgebiet liegt und die Männer nicht den Status von Kriegsgefangenen haben, sondern als »illegale Kämpfer« eingestuft werden, verwehrt ihnen die US-Armee Rechte, die in den Vereinigten Staaten selbst gelten würden. Die USA mussten zugeben, dass dort auch gefoltert wurde; so wendete man bei Verhören das berüchtigte »Waterboarding« (simuliertes Ertränken) an. Zeitweise hielt man fast 800 Menschen in Guantanamo gefangen – ohne Anklage und ohne Zugang zu Anwälten. Derzeit sitzen noch mehr als 170 Gefangene ein.

Schon im Januar hatte Präsident Obama fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Gesetz unterschrieben, das die Überstellung von Guantanamo-Häftlingen in Gefängnisse auf dem US-amerikanischen Festland oder deren Abschiebung in aufnahmewillige Drittländer ausdrücklich verbietet. Militärtribunale seien neben Verfahren vor zivilen Gerichten »ein verfügbares und wichtiges Werkzeug im Kampf gegen internationale Terroristen«, hieß es nun in einer Erklärung des Weißen Hauses.

Nach Angaben von Regierungsvertretern halte der Präsident aber weiter an dem Ziel einer Schließung des Lagers fest. Doch dürften weitere Verfahren Monate oder gar Jahre dauern. Die neuen Leitlinien zum Umgang mit den Gefangenen blieben so nicht nur »weit hinter den Grundwerten der Verfassung zurück«, wie selbst der demokratische Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Patrick Leahy, kritisierte, sie trügen auch wenig dazu bei, die Schließung voranzutreiben.

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