Hamburger Opposition formiert sich

In der Bürgerschaft stehen der allein regierenden SPD gleich vier Fraktionen gegenüber

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Während sich die SPD nach zehn Jahren im politischen Jammertal auf die Alleinregierung freut, muss sich die Opposition erst einmal neu sortieren. Künftig werden vier Parteien Bürgermeister Olaf Scholz im parlamentarischen Alltagsgeschäft auf die Finger schauen.

Trotz Halbierung ihrer Mandate ist die CDU stärkste Kraft unter den vier Oppositionsparteien. Wie gut oder schlecht die Christdemokraten nach einem Jahrzehnt Regierungsverantwortung ihrer neuen Rolle gerecht werden, ist schwer auszumachen. Während auf der Homepage der Bürgerschaftsfraktion reflexartig – wie zu Zeiten der 44 Jahre dauernden Opposition bis 2001 – zum Angriff auf den »roten Filz« im Bezirk Mitte geblasen wird, scheint sich die Partei neu zu erfinden. Plötzlich wird die Frauenquote in der Partei heiß diskutiert. Der Grund: Nur vier der 28 Sitze werden von Frauen besetzt. Eine blamable Quote von 15 Prozent. Zum Vergleich: In der neu formierten Bürgerschaft sitzen fast 40 Prozent Frauen – ein neuer Rekord.

Außerdem will die CDU, 40 Jahre nach Willy Brandt, nun auch damit beginnen, »mehr Demokratie« zu wagen: Erstmals sollen die bislang vorwiegend als Stimmvieh verwendeten Mitglieder über den Parteivorsitz abstimmen. Endlich begehrt die Basis auf – schwarze Wutbürger melden sich zu Wort. »Unsere Partei ist zu sehr verstrickt in Cliquenwirtschaft«, schimpft die neue Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien. Mit ihrem forschen Auftritt auf dem Mitgliederforum empfahl sich die Rechtsanwältin als neue Führungskraft.

Für die aus der Regierung verbannte Fraktion der Grün-Alternativen Liste (GAL) gab es nach der Wahl eine Menge Schelte – vor allem von der verärgerten Basis: »Die Partei wird als Abnickgremium wahrgenommen. Entscheidungen werden in kleinem Kreis gefällt, Misserfolge sozialisiert«, brachte es ein Mitglied der Grünen Jugend auf den Punkt. Sobald sich die GALer von dem Knatsch erholt haben, wollen sie vor allem die Umweltpolitik des neuen Senats kritisch begleiten. Mit einem Bürgermeister, der Umweltsünden, wie eine weitere Elbvertiefung, zugunsten des Hafens nicht scheut und sich einen Wirtschaftssenator zugelegt hat, der sich – entgegen der SPD-Linie – für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten ausspricht, kommt vermutlich keine Langeweile auf.

Die nach sieben Jahren Parlamentsabstinenz wieder in die Bürgerschaft eingezogene FDP hat sich vorgenommen, darüber zu wachen, dass »die Einheitsschule nicht doch noch durch die Hintertür« kommt, kündigte die frisch gebackene Fraktionschefin Katja Suding selbstbewusst an. Zumindest Springers »Welt« traut ihr eine Menge zu – sogar, dass sie Guido Westerwelles »Job gerettet« habe. Die von ihren Anhängern als »Power-Frau« Gepriesene will auch Scholz auf die Finger klopfen, wenn in der Wirtschaftspolitik die Interessen des Mittelstands zu kurz kommen: »Es geht nicht nur um den Hafen und um die Industrie, sondern auch um die vielen kleinen Unternehmen, in denen die Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden«, so Suding. »Hamburg ist auch Handwerk, Dienstleistung und Kreativwirtschaft.«

Bevor sich die LINKE dem Großprojekt, Scholz’ löchrige Sozialpolitik und die Durchsetzung zumindest eines sozialeren Hamburgs, widmen kann, ist wieder einmal Selbstverteidigung angesagt: Dies-mal gegen Extremismusvorwürfe vom Verfassungsschutz, der der erstmals in die Bürgerschaft gewählten Cansu Özdemir eine Nähe zur kurdischen Arbeiterpartei PKK unterstellt: Sie habe lediglich mit »zivilgesellschaftlichen Organisationen« zusammengearbeitet und sich für die »Demokratisierung der Türkei« engagiert, entgegnet die 22-Jährige. Die Kampagne gegen sie, sei »nur eine Fortsetzung verschiedenster Diskreditierungsversuche gegen DIE LINKE«.

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