»Illegale« treten aus dem Schatten

Die niederländische Gewerkschaft FNV kümmert sich um migrantische Haushaltskräfte

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Selbstorganisation von Migrantinnen war ein Thema auf der Jahreskonferenz der Kasseler Bildungsgemeinschaft SALZ. Die Arbeitsbedingungen gerade von Haushaltshilfen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus sind prekär und oft menschenunwürdig.

Über jahrelange gewerkschaftliche Kampagnearbeit zur Selbstorganisation von Migrantinnen berichtete Charlotte van Baaren, Vorstandsmitglied der niederländischen Gewerkschaft FNV Abvakado, bei der Jahreskonferenz der Bildungsgemeinschaft SALZ in Kassel. Sie sei vor etlichen Jahren »eigentlich zufällig« auf das massenhafte Phänomen der überwiegend als Putz- und Haushaltshilfen eingesetzten Frauen gestoßen und habe seither systematisch die Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen gefördert.

Wie weit verbreitet diese besondere Form der prekären Arbeit ist, zeigen wenige Zahlen. So setzen 750 000 Haushalte in den Niederlanden Hauspersonal ein. 95 Prozent davon seien Frauen, 50 Prozent Migrantinnen. Die allermeisten arbeiten ohne Arbeitsvertrag und damit auch ohne Abführung von Beiträgen an die Sozialversicherung. Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus werde vielfach sogar der Lohn vorenthalten. Auch seien sie oft dem Druck der Arbeitgeber zu sexuellen Handlungen und anderen Übergriffen ausgesetzt. Bei der Beratung seien vielfach auch skandalöse Zustände wie eine 54-Stunden-Woche oder die Unterbrechung der Lohnzahlung bei Urlaubsreisen des Arbeitgebers deutlich geworden.

Charlotte van Baaren hatte dafür geworben, dass ihre Gewerkschaft auch illegalisierte Haushaltshilfen organisiert. 2006 nahm die Abvakado FNV erstmals »Illegale« auf, mittlerweile werden sie allerdings aus organisatorischen Gründen von der Schwestergewerkschaft FNV Bondgenoten erfasst. Praktische Probleme wie Beitragseinzug, Sozialversicherung und Rechtsberatung wurden bearbeitet. Die Frauen hätten mit der Aufnahme in die Gewerkschaft deutlich gespürt, dass sie sich »von Schatten zu Sichtbaren gewandelt« hätten.

Durch beherztes Eingreifen anderer Gewerkschafter konnten oft auch säumige Haushaltsvorstände zur Zahlung ausstehender Löhne bewegt werden. Gemeinsam mit den Selbsthilfegruppen gelang es rasch, den engen Horizont von Gruppen mit Frauen ausschließlich aus einem bestimmten Herkunftsland zu überwinden und Betroffene aus Asien, Afrika und Lateinamerika zusammenzuführen und das gegenseitige Verständnis und den Zusammenhalt zu fördern. Mittlerweile sei mit der Ausarbeitung einheitlicher Arbeitsverträge ein weiteres Problem in Angriff genommen worden, sagte van Baaren.

Weiterer Schwerpunkt der SALZ-Tagung unter dem Titel »Arbeit und Ökologie« war der vom Kasseler Arbeitswissenschaftler Jürgen Klippert beschriebene Zusammenhang zwischen der Zunahme psychischer Erkrankungen und der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Der Dortmunder Soziologe Gerd Peter beschäftigte sich mit der Frage, ob die in den 70er Jahren breit diskutierte »Humanisierung des Arbeitslebens« noch übertragbare Elemente für eine neue Politik der Arbeit der nahen Zukunft liefern könne.

Auf die Aktualität der Friedrich Engels-Schrift »Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen« ging der Ethnologe Ingo Nentwig von der Uni Zürich ein. Der Zuwachs an Faktenwissen über die Entwicklungsgeschichte des Menschen in den vergangenen 150 Jahren habe die Grundaussagen von Engels »nicht widerlegt, sondern bestätigt«, so Nentwig, auch wenn in weiten Teilen der Wissenschaft diese Schrift kaum noch wahrgenommen werde und die Perspektive der »Arbeit« weitgehend durch »Technikgeschichte« und »Werkzeugtypologie« ersetzt worden sei.

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