Sachsen-Anhalts SPD erliegt dem Locken der CDU

Union überrascht vor heute beginnenden Koalitionsgesprächen mit Entgegenkommen / Übergangene LINKE ist sauer

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ab heute wird in Magdeburg über eine neue schwarz-roten Koalition verhandelt. Ein leichter Ritt wird das nicht: Nachdem die CDU-Spitze der SPD Zugeständnisse machte, regt sich in der ohnehin unruhigen Partei Unmut.

Reiner Haseloff hat kürzlich erhellende Einsichten in sein Frauenbild offenbart. Die Frau im Osten, erklärte der designierte Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, sei nüchterner als die im Westen: Sie diskutiere nicht stundenlang über Biofleischsorten, »sondern es geht um Fleisch oder nicht Fleisch«, erklärte der 58-jährige Physiker.

Ab heute sitzt er auch mit einer dieser vermeintlich so nüchternen Ost-Frauen am Verhandlungstisch: Katrin Budde, Landeschefin der SPD. Sie gehört zu der Runde, die mit der CDU ein Programm für die Fortsetzung der gemeinsamen Koalition aushandeln soll. Am Montag hatte sich der SPD-Parteivorstand einstimmig dafür ausgesprochen, das Bündnis fortzusetzen.

Den Ausschlag für das klare Votum gab ein Sondierungsgespräch am vorigen Freitag, bei dem zwar nicht die Alternative Fleisch oder kein Fleisch erörtert wurde; auf dem Zettel standen vielmehr Themen wie Ganztagsbetreuung, Vergabegesetz oder die Öffnung der Schulen für längeres gemeinsames Lernen. Haseloff vermied es jedoch offenbar wie in der Fleischfrage, sich zu sehr in Debatten um die Details zu verzetteln – und nickte zu allem, was Budde und ihren Genossen wichtig war. Viele der elf Punkte, die anschließend präsentiert wurden, sind originäre SPD-Forderungen. »In zentralen Punkten ist eine konstruktive und inhaltlich tragfähige Einigung in Sicht«, frohlockte Budde. Bleibe das auch nach den Koalitionsverhandlungen so, sehe das Land »fünf guten Jahren entgegen«.

Ob das künftige Regierungsprogramm sich schon in dem Topf befindet, in dem gekocht wird, darf indes bezweifelt werden. Vermutet wird, dass Haseloff der SPD vor allem deshalb so weit entgegenkam, um die LINKE aus der Koalitionsküche zu drängen – was auch gelang: Gespräche mit dieser seien derzeit »obsolet«, erklärte die SPD. Die LINKE ist entsprechend sauer. Die SPD habe »einen Politikwechsel unmöglich gemacht«, wettert der Landeschef Matthias Höhn. Zudem stütze sie die Bundesregierung von CDU und FDP, die »nicht schnell und spürbar ein Gegengewicht im Bundestag« erhalte.

Für Druck in den nun beginnenden Gesprächen wird indes weniger der Unmut der LINKEN sorgen als vielmehr Ärger in der CDU, wo nicht wenige meinen, Haseloff habe sich zu viel rotes Fleisch aufschwatzen lassen. Die »Magdeburger Volksstimme« zitiert CDUler, die »fassungslos« sind, die ausgehandelte Punkte zumindest aber »erklärungsbedürftig« nennen. Der designierte Landtagspräsident Detlef Gürth sagte: »Es wurde beschlossen, was die SPD will. Von der CDU habe ich nichts entdeckt.«

Solche Äußerungen muss Haseloff sehr ernst nehmen – nicht zuletzt, weil die CDU derzeit offenbar ohnehin auf Krawall gebürstet ist. Vergangene Woche wurden in einer Kneipenrunde von ausgewählten Abgeordneten brisante Personalentscheidungen getroffen. Der bisherige Landtagspräsident Dieter Steinecke und Ex-Fraktionschef Jürgen Scharf, der als Nachfolger im Gespräch war, wurden kalt abserviert. Dem Vernehmen nach stellte man Haseloff, der tags darauf zum Interims-Fraktionschef gewählt wurde, vor vollendete Tatsachen. Er wird deshalb, nachdem er die SPD erfolgreich geködert hat, nun versuchen müssen, in den Gesprächen auch für seine eigenen Parteifreunde ein paar appetitliche Bissen herauszuhandeln – ganz gleich ob Biofleisch oder nicht.

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