Siegerin ist Leonora Christina

Eine starke Persönlichkeit: Held oder Verräter? Fähre behält ihren Namen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine einzigartige Episode der dänischen maritimen Geschichte fand ihren Abschluss mit einer öffentlichen Abstimmung zum Namen der neuen Fähre, die zwischen Kopenhagen und Bornholm mit Abstechern nach Rügen verkehren wird. Die Reederei hatte bis zu drei Wahlgänge eingeplant in der Erwartung, dass sich nur langsam ein Sieger herausschälen würde, doch Leonora Christina sicherte sich schon in der ersten Runde eine hauchdünne Mehrheit von 50,27 Prozent. 9340 gültige Stimmen wurden abgegeben – Bornholm hat knapp 43 000 Einwohner.

Als im November bekannt wurde, dass die neue Fähre Leonora Christina heißen sollte, entfachte dies eine heftige Debatte, die einiges über das Selbstverständnis der Bornholmer aussagt. Leonora Christina war die Frau von Corfitz Ulfeldt, der als der größte Landesverräter in der dänischen Geschichte betrachtet wird. Er war zeitweilig Reichshofmeister und faktischer dänischer Herrscher, bis er in Ungnade fiel und in schwedische Dienste ging. Im Krieg von 1658 kämpfte er auf der Seite des Erbfeindes gegen sein Vaterland und seine Zeitgenossen schrieben ihm einige der harten Friedensbedingungen zu, denen Dänemark sich nach der Niederlage unterwerfen musste. Darunter war auch die Abtretung Bornholms an Schweden, doch die Inselbewohner vertrieben kurze Zeit später ihre neuen Herren aus eigener Kraft, um bei Dänemark zu verbleiben. Die Königstocher Leonora Christina hatte mit diesen politischen Ränken nicht mehr zu tun als mit dem falschen Mann verheiratet zu sein und ihm treu zu verbleiben bis zu ihrem Tod nach 22 Jahren Kerkerhaft. Nach den Ehrvorstellungen des 17. Jahrhunderts hatte sie auch gar keine andere Wahl.

Mit Leonora Christina trägt die Bornholmer Fähre erstmals einen Frauennamen. Bisher trugen die Fähren der seit 1866 existierenden Reederei Männernamen oder Namen Bornholmer Stätten. Die in den letzten Jahren in Dienst befindlichen Schiffe wurden nach den Aufstandshelden Povl Anker und Villum Clausen benannt. Warum die Volksmeinung plötzlich umschlug, kann nicht richtig erklärt werden. Immerhin meinten einige Widerständler, dass man dann in Deutschland ein Schiff nach Eva Braun benennen könnte – persönlich unschuldig, aber ausharrend an der Seite eines verbrecherischen Mannes. Vielleicht machte die Diskussion nicht nur überzogene Standpunkte deutlich, sondern auch, dass Leonora Christina mehr war als nur Ehefrau eines Verräters, sondern dass sie mit ihren Gefängnisberichten das erste bedeutende Werk der dänischen neuzeitlichen Literatur schrieb.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal