Im Handumdrehen Landesvater

Mecklenburg-Vorpommern: Überraschend großer Amtsbonus für Ministerpräsident Sellering

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern: Nach nur zwei Jahren wird der Schweriner Staatskanzleichef Erwin Sellering (SPD) bereits breit als »Landesvater« respektiert. Auch seiner Partei trauen die Bürger wenige Monate vor der Landtagswahl am meisten zu. Die LINKE kann weiterhin nur mit »Gerechtigkeit« punkten.

Mit welchen Themen war Erwin Sellering »in den Medien«, seit er 2008 die Staatskanzlei übernommen hat? Viel Furore machte seine öffentliche Skepsis gegenüber dem Begriff »Unrechtsstaat« für die DDR. Im Land hat ihm dies geholfen: Seinem Interviewsatz »Ich verwahre mich aber dagegen, die DDR als den totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab« stimmen 74 Prozent der Bürger zu – quer durch »alle Bevölkerungsgruppen und Parteianhängerschaften«.

Überprüfen lassen hat das wenige Monate vor der Landtagswahl im September der NDR in einer umfassenden Umfrage über die politischen Trends in Mecklenburg-Vorpommern. Für Sellering haben die Demoskopen fast ausschließlich gute Nachrichten: Im direkten Vergleich liegt er 50 Prozentpunkte vor CDU-Herausforderer Lorenz Caffier und 46 vor LINKE-Kandidat Helmut Holter, bei den Bürgern über 60 Jahre erreicht er im Direktvergleich Zustimmungswerte bis zu 88 Prozent. Insgesamt sind 68 Prozent mit ihm zufrieden, 14 Prozent mehr als bei der Referenzumfrage von 2009. Überraschend schnell, so das Fazit der Untersuchung, konnte sich Sellering als überparteilich respektierter »Landesvater« etablieren; er verfüge bereits über einen Amtsbonus wie sonst nur lang gediente Ministerpräsidenten.

Zugleich ist aber eine knappe Mehrheit von 52 Prozent mit der Politik nicht zufrieden, wofür vor allem eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt sorgt. Die wirtschaftliche Lage wird von 64 Prozent als schlecht empfunden. Die Bürger trauen allerdings am ehesten Sellerings SPD zu, die Probleme des Landes zu lösen. Bis auf die »Wirtschaftskompetenz« liegen die Sozialdemokraten in allen Bereichen vorne. Derzeit könnte sich die SPD mit 35 Prozent den Juniorpartner aussuchen: CDU mit 27 oder LINKE mit 20 Prozent. Die Grünen kämen auf sensationelle 10 Prozent, FDP und NPD flögen mit jeweils um die drei Prozent aus dem Landtag.

Für die Linkspartei ist die Umfrage weniger günstig. Zwar hat Fraktionschef und Spitzenkandidat Helmut Holter, der mit einer Zustimmung von 35 Prozent über dem Wert seiner Partei liegt, gegenüber 2009 an Statur gewonnen. Auch für ihr erklärtes Ziel, eine Neuauflage von Rot-Rot, wird die LINKE im Nordosten noch werben müssen. 54 gegen 38 Prozent stehen derzeit die Sympathiewerte zwischen den Optionen Rot-Schwarz und Rot-Rot. Auch eine thematische Verbreiterung scheint die Partei dem Bürger noch nicht vermittelt zu haben. Im Vergleich der den Parteien jeweils zugeschriebenen Kompetenzen kann die LINKE weiterhin nur bei »sozialer Gerechtigkeit« sowie »Schule und Bildung« punkten, wo sie immerhin 20 bzw. 14 Prozent für gut aufgestellt halten – die Gerechtigkeit bleibt dabei das einzige Thema, bei dem die LINKE im Kampf um die Plätze vor der CDU liegt.

Gerade beim Schaffen und Sichern von Arbeit und beim Voranbringen der Wirtschaft glauben nur sechs von 100 an die LINKE. Auffallend auch, dass das in den letzten Jahren starke Engagement in der Umwelt- und Energiepolitik offenbar nicht angekommen ist: Nur fünf bzw. drei Prozent der Befragten trauen der LINKEN dabei Wegweisendes zu; hier erreichen die Grünen – die bei anderen Themen keine Rolle spielen – extreme Werte.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal