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Freudloser Blick auf Kairoer Einigung

Israel lehnt Einigung von Fatah und Hamas auf gemeinsame palästinensische Regierung ab

  • Indra Kley, Jerusalem
  • Lesedauer: 4 Min.
Israel hat ablehnend auf die Einigung von Hamas und Fatah nach ihren Verhandlungen in Kairo unter Vermittlung der ägyptischen Regierung reagiert und erklärt, man wolle die Zusammenarbeit mit der neuen palästinensischen Regierung infrage stellen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bemüht sich deshalb, die Wogen zu glätten. Er fordert vom Westen eine Chance für die Versöhnung. Von der EU allerdings gibt es dieses Signal bisher nicht. Die Einigung von Hamas und Fatah wird in Israel mit Besorgnis betrachtet. Auch im linken Lager zeigt man sich nur zurückhaltend optimistisch.

Der Bruderstreit scheint beigelegt, nun gehen die Probleme erst richtig los: Die unter ägyptischer Vermittlung zustande gekommene überraschende Annäherung der beiden verfeindeten Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas hat in Israel und den Palästinensergebieten für durchwachsene Reaktionen gesorgt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, es liege nun an der Palästinensischen Autonomiebehörde, ob sie Frieden mit Israel oder Frieden mit der Hamas wolle. »Frieden mit beiden ist unmöglich, weil die Hamas Israel zerstören will«, so Netanjahu.

Am Mittwochabend hatten Repräsentanten von Fatah und Hamas in Kairo Details eines Versöhnungsabkommens bekanntgegeben: Demnach sollen binnen eines Jahres Wahlen in den Palästinensergebieten stattfinden sowie eine von beiden Fraktionen akzeptierte Übergangsregierung gebildet werden. Die Beziehungen zwischen der als gemäßigt geltenden Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der radikal-islamisch orientierten Hamas hatten sich nach den letzten Wahlen 2006 dramatisch verschlechtert. Nach einem blutigen Machtkampf hatte die bei den Wahlen siegreiche Hamas 2007 die alleinige Kontrolle im Gazastreifen übernommen. Israel hat seitdem eine strikte Blockade über das Palästinensergebiet verhängt.

Mit der Aussöhnung soll der Weg zu einem eigenen unabhängigen Palästinenserstaat geebnet werden. Die Friedensgespräche zwischen Israel und den von Abbas geführten Kräften im Westjordanland waren zuletzt an der Weigerung Netanjahus gescheitert, den Bau jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten zu beenden. Nun wollen die Palästinenser im September mit Hilfe der Vereinten Nationen im Westjordanland, im Gazastreifen und im Ostteil Jerusalems einen unabhängigen Staat ausrufen.

Die Regierung Netanjahus lehnt den Vorstoß der Palästinenser ab. Außenminister Avigdor Lieberman erklärte, er befürchte, dass nun die Hamas auch im Westjordanland die Macht übernehmen könne. Skeptisch, wenn auch weniger ablehnend zeigte sich die linksgerichtete Meretz-Partei, die sich in einer gestern veröffentlichten Mitteilung »zurückhaltend optimistisch« über die Friedensbemühungen zwischen Fatah und Hamas äußerte. »Wir hoffen, dass das Abkommen eine Mäßigung und Flexibilität mit sich bringt, die den diplomatischen Prozess vorantreibt und zur Freilassung Gilad Shalits (eines von der Hamas gefangengehalten israelischen Soldaten – I. K.) führt«, so Fraktionsvorsitzender Ilan Gilon. »Und wir hoffen, dass Gaza dem Weg Ramallahs folgt und nicht andersherum.«

Erst einmal abzuwarten, hält auch der palästinensische Menschenrechtsaktivist Bassem Eid für die beste Strategie: »Wir Palästinenser sind alle überrascht über das Abkommen, weil es so viele Dinge zwischen Fatah und Hamas gibt, die unlösbar zu sein scheinen.« Bis sich Fatah-Chef Mahmud Abbas nicht mit Hamas-Führer Khaled Maschal zur offiziellen Unterzeichnung des Abkommens getroffen habe, akzeptiere er gar nichts, so Eid. »Keiner weiß doch wirklich, was da drin steht. Zurzeit kann ich daher noch nichts Positives in diesem Vorstoß sehen.« Grundsätzlich hält er die Aussöhnung zwischen Hamas und Fatah jedoch für unverzichtbar auf dem Weg zu einem eigenen Staat. »Allein schon wegen der Wahlen. Wir brauchen Wahlen – und ohne den Gazastreifen geht das nicht.« Seit 2009 war der Gang zur Urne in den Palästinensergebieten immer wieder verschoben worden.

Dass die USA als Reaktion auf die Annäherung bereits laut über das Einfrieren von Hilfsgeldern für die Autonomiebehörde nachdenken, hält Eid für das falsche Signal. »Die Welt sollte doch den Palästinensern erst einmal eine Chance geben und sie wählen lassen.«


Die Partner

FATAH
Die drei Konsonanten von Fatah stehen – in umgekehrter Reihenfolge – für Palästinensische Befreiungsbewegung. Unter ihrem Mitbegründer Yasser Arafat entwickelte sich die Fatah als Hauptkraft der PLO mit Beginn der 70er Jahre zur einflussreichsten Kraft der Palästinenser. Seit Arafats Tod im Jahre 2004 wird sie von Mahmud Abbas, derzeit palästinensischer Präsident, geführt. Die Fatah versteht sich – im Unterschied zur Hamas – als nicht religiös geprägte Organisation. Hatte sie anfangs vor allem auf den bewaffneten Kampf als Mittel zur Befreiung der seit 1967 von Israel besetzten palästinensischen Territorien gesetzt, so strebt sie seit Aufnahme des direkten Dialogs mit Israel nach einer politischen Lösung. Die Fatah führt de facto allein die palästinensische Autonomiebehörde des Westjordangebietes.

HAMAS
Hamas bedeutet Islamische Widerstandsbewegung. Sie wurde 1987 im Gaza-Streifen unter wohlwollender Duldung der israelischen Besatzungsmacht gegründet, die sich davon eine Schwächung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) respektive der Fatah Arafats erhoffte. Von ihrem ursprünglichen Ziel, ein Palästina auf dessen gesamtem historischen Gebiet, also unter Beseitigung Israels, zu proklamieren, ist die Hamas 2007 abgegangen. Sie bekundet seitdem die Bereitschaft zur Einrichtung eines Palästinenserstaates in den Grenzen von 1967 und zu einer langfristigen Waffenruhe mit Israel. Bis zu einer solchen Vereinbarung wolle sie weiter auch militärisch agieren. Das ist neben dem Ringen um die Führungsrolle in der palästinensischen Widerstandsbewegung der Hauptstreitpunkt mit der Fatah.

Die Hamas definiert sich als islamisch-sunnitische Organisation. Bei den palästinensischen Parlamentswahlen Anfang 2006 siegte sie und stellte mit Ismail Haniya den Ministerpräsidenten. Ihr Aktionsbereich ist infolge der Blockadepolitik Israels auf Gaza reduziert. R. E.

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