Panne im »Muster«-AKW Grohnde?

Netzwerk fordert Aufklärung nach Mitteilung des Umweltamtes über Radioaktivität im Kühlwasser

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.
Das AKW Grohnde in Niedersachsen muss sich einer Routine-Revision unterziehen. Nun ließ eine Meldung des niedersächsischen Umweltamtes AKW-Gegner aufhorchen.

Es gilt als vergleichsweise zuverlässig, nach Angaben des Betreibers E.on gehörte das AKW Grohnde 2010 mit einer erzeugten Strommenge von 11,42 Milliarden Kilowattstunden sogar zu den »Top Ten der produktivsten Atomkraftwerke weltweit«. Am Montagnachmittag kündigte E.on die Abschaltung des Meilers zum Brennelementwechsel und zur jährlichen Revision an. »Das Revisionsprogramm umfasst circa 1000 teils sehr umfangreiche Prüfungen und zahlreiche Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten«, hieß es lapidar in der Mitteilung des Energiekonzerns.

Fast zeitgleich meldete sich das – nicht grade als atomkraftkritisch bekannte – niedersächsische Umweltministerium zu Wort. Zu den Arbeiten in Grohnde zähle auch die »Inspektion von Kernbauteilen, da die Aktivitätswerte des Kühlmittels einen Brennstabschaden in einem Brennelement anzeigen«, sagte eine Sprecherin. Im Klartext: Im Vorzeige-AKW ist mindestens ein Brennelement kaputt und die Radioaktivität im Kühlwasser ist deshalb angestiegen.

Atomkraftgegner wurden hellhörig. Das Niedersächsische Jugendumweltnetzwerk forderte gestern vom Umweltministerium »Aufklärung, wie hoch das Kühlmittel kontaminiert ist« und »durch welche radioaktiven Substanzen«. Netzwerk-Sprecher Tobias Darge sagte, es müsse außerdem geklärt werden, wann und warum der Brennstabschaden entstanden sei und ob auch andere der insgesamt 193 Brennelement undicht seien. Vom japanischen AKW Tsuruga II war am Dienstag ein ähnlicher Vorfall bekannt geworden. Der Betreiber Japco fuhr das AKW sofort herunter. »Warum werden solche Probleme von E.on und den Aufsichtsbehörden offenbar über Wochen oder Monate verschwiegen, während in Japan der Meiler gleich vom Netz genommen wird«, fragt Darge und verweist auf die Parallelen der Anlagen. Beide Atomkraftwerke sind mit Druckwasserreaktoren ausgestattet und nahezu baugleich, beide gingen innerhalb weniger Monate in Betrieb: Grohnde 1985, Tsuruga II ein Jahr später.

Auch wegen des geplanten Einsatzes von Mox-(Mischoxid)- Brennelementen in Grohnde ist E.on unter Druck geraten. Die 16 bereits in der britischen Atomschmiede Sellafield gefertigten Elemente enthalten nach Angaben des Anti-Atom-Plenums Weserbergland insgesamt etwa 400 Kilogramm Plutonium. Die Menge reiche aus, um daraus 40 bis 50 Atombomben zu bauen. Bei einem Unfall des Transports mit längerem Brand oder starkem Aufprall könnten Plutonium-Partikel frei werden, warnen die Umweltschützer. Schon ein Millionstel Gramm der radioaktiven Substanz könne eingeatmet Krebs erzeugen. Atomkraftgegner kündigten Blockaden gegen die Mox-Anlieferung an. Womöglich unter dem Druck der Proteste, hat E.on die Fuhre kürzlich auf das kommende Jahr verschoben.

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