Bomben in privater Hand?

Niedersachsen will Kampfmittel-Beseitigung umstrukturieren

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.
Tödliche Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg lauern noch vielerorts im Erdreich: Blindgänger. Werden die nicht detonierten Bomben entdeckt, gibt es Alarm für den Kampfmittelbeseitigungsdienst. In Niedersachsen ist er der Polizei zugeordnet, doch Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will ihn zum Teil privatisieren – und erntet dafür Kritik

Kilometerweit ist der dumpfe Knall zu hören, der am 1. Juni 2010 in Göttingen gegen 22 Uhr viele Menschen aus der Feierabendruhe schreckt: Auf dem Schützenplatz ist eine unlängst dort entdeckte Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg explodiert, während sie die Kampfmittel-Experten entschärfen wollten. Drei von ihnen sind sofort tot.

Das Unglück zeigt auf, wie gefahrvoll jeder Einsatz ist für die Entschärfer. Ein positiver Aspekt ihrer Arbeit ist die gewisse soziale Sicherheit, die der öffentliche Dienst bietet. Was wird aus den Fachleuten, wenn Schünemann seine Pläne umgesetzt hat? Von ihnen sind gerade jene Beschäftigte betroffen, die direkt »an der Bombe« arbeiten.

Nicht der gesamte Bereich Kampfmittelbeseitigung kommt in private Hände. Diejenigen Kräfte, die mit dem Auffinden von Blindgängern betraut sind – etwa durch das Auswerten von Luftbildern – wechseln zum »Landesamt für Geoinformation und Landesentwicklung«. Auch die »Männer an der Bombe« werden zunächst diesem Landesamt zugeordnet – aber nicht auf Dauer, sondern nur bis zur »Endphase der Umgliederung«, wie Uwe Schünemann mitteilt. Bis zu jenem Zeitpunkt also, zu dem ein Privatunternehmen die Arbeiten vor Ort und auch die Beseitigung der Sprengkörper übernimmt. »Alle Personalentscheidungen werden sozial verträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen«, verspricht Schünemann.

Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stehen durch die Privatisierung rund 35 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der GdP, betont: Die klassische Bombenräumung sei eine hoheitliche Aufgabe. »Gerade in Zeiten einer globalen Bedrohung darf der Umgang mit großen Mengen Sprengstoff nicht privatisiert werden.« Wenn die Sicherheit der Bevölkerung für den Innenminister oberste Priorität habe, müsse die Entschärfung unter hoheitlicher Verantwortung weitergeführt werden. Das Vertrauen der Beschäftigten sei »wieder einmal mit Füßen getreten« worden.

Auch die LINKE im Landtag lehnt die Privatisierung des Bomben-Entschärfens strikt ab. »Die Kampfmittelbeseitigung ist eine staatliche Aufgabe, die in privater Hand nichts zu suchen hat«, bekräftigt die Innenexpertin der Fraktion, Pia Zimmermann und kündigt an: »Wir werden im Landtag tätig werden, um das Vorhaben zu stoppen.«

Eine weitere Absage in puncto Umstrukturierung kommt von der SPD: »Wer in einem so sensiblen Bereich tätig ist, wie es die Räumung von Blindgängern darstellt, muss eng in die staatliche Gefahrenabwehr eingebunden und in die Strukturen von Polizei und Katastrophenschutz eingebettet sein«, sagte Klaus-Peter Bachmann, innenpolitischer Fraktionssprecher.

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