Opposition wirft Regierung Atomtrickserei vor

Streit um Abschaltung der Altmeiler / Merkel spricht mit Verbänden über Energiewende

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Tatsache, dass die ältesten Atomkraftwerke (AKW) Flugzeugabstürzen nicht standhalten, will die Regierung jetzt nutzen, um einige Meiler dichtzumachen. Über die Zahl ist Streit entbrannt. Trotz Atomausstiegs will die Regierung keinen schnelleren Ökoenergie-Ausbau.

Berlin (Agenturen/ND). Die Opposition wirft der Regierung nach der Überprüfung der 17 deutschen AKW Trickserei beim Atomausstieg vor. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte am Mittwoch, dass Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) bisher nur das Aus für mindestens vier Meiler angedeutet hat, weil diese keinen Schutz gegen Flugzeugabstürze haben. Wie schon bei der Laufzeitverlängerung um bis zu 14 Jahre soll die Atomwirtschaft einen Sicherheitsrabatt bekommen, vermutete Gabriel im »Handelsblatt online«.

SPD, LINKE und Grüne fordern das sofortige Aus für die sieben ältesten AKW sowie für den seit 2007 fast ununterbrochen stillstehenden Meiler in Krümmel.

Röttgen hatte am Dienstag bei der Vorstellung des AKW-Prüfberichts der Reaktorsicherheitskommission (RSK) die Anlagen Biblis A und B, Brunsbüttel und Philippsburg 1 genannt. Diese hätten »keine nachgewiesene Sicherheitsauslegung« für Flugzeugabstürze. Zugleich hatte er betont, dass der Schutz gegen Abstürze bei allen sieben Altmeilern mangelhaft sei. Damit könnte vier, aber auch sieben AKW das Aus drohen.

»In der gesetzten Frist war eine seriöse Sicherheitsüberprüfung aller 17 Reaktoren nicht im Ansatz zu schaffen«, kritisierte der Bonner Reaktorsicherheitsexperte Wolfgang Renneberg. Die Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses, Eva Bulling-Schröter (LINKE), sagte: »Die überaus fragwürdigen Schnell-Stresstests dienen Umweltminister Norbert Röttgen als Vorwand, um nun doch nur vier Altmeiler abzuschalten.«

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will nun zusammen mit Industrie, Gewerkschaften und Ökoenergie-Verbänden den Netzausbau vorantreiben und den Ökostrom-Anteil erhöhen. Sie traf sich dazu am Mittwoch mit Verbandsvertretern im Kanzleramt. Trotz des geplanten Atomausstiegs will die Regierung aber ihr Ziel, bis 2020 mit Ökoenergien 35 Prozent des Stroms zu produzieren, nicht erhöhen. Das geht aus dem Entwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Das 35-Prozent-Ziel war auch schon vor der Laufzeitverlängerung verankert worden. Bis 2030 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen. Der Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Dietmar Schütz, sagte: »Man kommt nicht umhin, die viel beschworene Stärkung der Erneuerbaren als reine Lippenbekenntnisse zu werten.« SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf Schwarz-Gelb vor, beim Ausbau wieder auf die Bremse zu treten. Insgesamt will die Regierung erreichen, dass Ökoenergien – derzeit vom Verbraucher mit 3,5 Cent pro Kilowattstunde bezuschusst – schneller marktfähig werden. Bei der Förderung wird die Vergütung für Windkraft auf See erhöht, die oft von großen Unternehmen betrieben wird. Die Förderung für Energie aus Windrädern an Land und aus Biomasse wird gekürzt.

Greenpeace kritisiert eine Bevorzugung der Stromkonzerne, die verstärkt in Ökoenergien investieren wollen. Am 6. Juni will die Regierung das neue EEG und das Atompaket beschließen.

Interview Seite 4

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