100 000 stehen auf der Straße

Wohlfahrtsverband kritisiert Rotstiftpolitik bei Fördermaßnahmen für Erwerbslose

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Als das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch beschloss, die Zahl der Förderinstrumente für Arbeitslose einzudampfen, da schrillten bei vielen Betroffenen die Alarmglocken. Zu Recht, wie eine aktuelle Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt. Demnach werden allein im laufenden Jahr etwa 40 Prozent aller Maßnahmen gestrichen.

Die Bundesregierung will sparen. Auch bei Fördermaßnahmen für Arbeitslose. So soll etwa der Gründerzuschuss für Erwerbslose in eine reine Ermessensleistung umgewandelt werden. Auch die Zahl der Ein-Euro-Jobs für oft schwer Vermittelbare soll massiv eingedampft werden. Hinzu kommen Streichungen bei Fortbildung und Hilfen für ältere Arbeitslose. Insgesamt will das Bundesarbeitsministerium die Zahl der »arbeitsmarktpolitischen Instrumente« von 42 auf 31 reduzieren. So sollen bis 2015 etwa acht Milliarden Euro eingespart werden.

Eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zeigt nun, welch dramatische Konsequenzen die Streichorgie haben wird. »Was wir hier erleben, ist Arbeitsmarktpolitik mit der Abrissbirne«, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, am Dienstag. Die Sparbeschlüsse hätten bereits jetzt zu »massiven Einschränkungen« der Hilfen für Langzeitarbeitslose geführt, betonte Schneider. So viel ist klar: Das Sparprogramm gefährdet zahlreiche Anbieter von Fortbildungsmaßnahmen in ihrer Existenz. So ergab die Umfrage, dass vier von fünf auf diesem Sektor tätigen Firmen mit einer »substanziellen Gefährdung« ihrer Arbeit rechnen. Immerhin zwei Drittel der befragten Unternehmen hätten bereits Stellen abbauen müssen. So gingen seit 2010 mehr als 20 Prozent aller Vollzeitstellen verloren. Bereits in diesem Jahr, so Schneider, sei das Budget für Eingliederungsleistungen für Hartz-IV-Betroffene um ein Viertel auf 4,6 Milliarden Euro zusammengestrichen worden. Zudem sei ein Drittel aller Ein-Euro-Jobs dem Rotstift zum Opfer gefallen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen geförderten Beschäftigungsverhältnisse habe sich gar halbiert – auf gerade einmal 40 000. Damit stünden mehr als 100 000 Langzeitarbeitslose auf der Straße, die im vergangenen Jahr noch in öffentlich geförderten Jobs gearbeitet hätten, rechnete Schneider vor. Der Verbandsgeschäftsführer kritisierte die einseitige Fokussierung der Bundesregierung auf eine schnelle Integration in den ersten Arbeitsmarkt. »Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung hunderttausende Langzeitarbeitslose als hoffnungslose Fälle abschreibt«, empörte sich Schneider.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verwies am Dienstag auf die sinkende Zahl der Langzeitarbeitslosen. So habe man hier im vergangenen Jahr einen Rückgang um 6,2 Prozent verzeichnen können. Die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sei nur eine Reaktion darauf, so die Ministerin. Was sie nicht sagte: Etwa 500 000 Arbeitslose gelten als nahezu unvermittelbar.

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