»Vereinzelte Provokationsgewinne«

Eine Studie seziert die Praxis der rechtsextremen NPD in der sächsischen Landeshauptstadt

  • Detlef Uhlig
  • Lesedauer: 3 Min.
Wissenschaftler der Universität Bielefeld legen erstmals eine detaillierte Studie zu den rechtsextremen Strukturen in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden vor. Es gelang, ein umfassendes Bild vom Innenleben der Dresdner NPD zu zeichnen – schmeichelhaft für die Kameraden fällt es nicht aus.

Bedurfte es noch eines wissenschaftlichen Beweises, dass die Stadt Dresden ein nicht zu unterschätzendes Problem mit rechtsextremen Strukturen und Einstellungen in Teilen der Bevölkerung hat, dann haben Forscher des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld diesen nun geliefert. Doch um ein Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Wo es »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« gibt – wie es der Leiter der Studie, Professor Wilhelm Heitmeyer, ausdrückt –, gibt es oft auch das entsprechende zivilgesellschaftliche Gegengewicht.

Fast 150 Seiten füllt die Studie »Rechtsextreme Strukturen, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und bürgerschaftliches Engagement in der Landeshauptstadt Dresden«, welche im Rahmen des sächsischen Landesprogramms »Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz« und eines lokalen Handlungsprogramms der Stadt Dresden entstand. Die wissenschaftliche Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Der erste untersucht die direkten Aktivitäten und die Etablierung rechtsextremer Strukturen vor Ort. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass seitens der Parteien hier die NPD de facto als die alleinige treibende Kraft auftritt und andere Rechtsgruppierungen, wie Republikaner und DVU, keinerlei Rolle in der Landeshauptstadt spielen.

Schmoren im eigenen Saft

Den Wissenschaftlern gelang es, ein umfassendes Bild vom Parteiinnenleben der Dresdner NPD zu skizzieren. Wohl auch, weil sich mit dem Dresdner Kreisvorsitzenden Jens Baur ein führendes Mitglied des sächsischen Landesverbandes zu einem ausführlichen Interview überreden ließ. Baur spricht für ein Mitglied der rechtsextremen Partei ungewohnt offen. So macht der Kreisvorsitzende keinen Hehl aus seinen Kontakten zu Gruppierungen, wie etwa der im Jahr 2001 vom sächsischen Innenminister verbotenen Kameradschaft »Skinheads Sächsische Schweiz«.

Die Wissenschaftler resümieren in ihrer Studie über die Dresdner NPD, dass deren Wirkungskraft und öffentliche Wahrnehmung nur schwach und auf »vereinzelte Provokationsgewinne« beschränkt sei. Wesentlich hängt dies auch mit der Arbeit der beiden NPD-Stadträte zusammen. Etwa ein Drittel der von ihnen gestellten Anfragen betraf allein die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und dabei »insbesondere mit zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtextremismus«.

Allerdings warnt die Studie, dass sich die NPD perspektivisch in den sozialen Brennpunkten Dresdens weiter festsetzen könnte, sofern die demokratischen Parteien, mit Ausnahme der LINKEN, diese weiter vernachlässigen. Nachdenklich stimmt die Forscher außerdem das Erstarken kameradschaftsähnlicher Formationen wie der »Autonomen Nationalisten«, die unter anderem im Verdacht stehen, in der Vergangenheit Brandanschläge auf alternative Wohnprojekte in Dresden verübt zu haben.

Im zweiten Teil der Studie beschäftigen sich die Forscher des IKG mit menschenfeindlichen Einstellungen der Bevölkerung. Dafür wurden von den Forschern insgesamt 594 Personen befragt. Dabei kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Ängste der Bevölkerung in der Altstadt hinsichtlich der Zukunftsperspektiven am größten sind.

Brennpunkt ist die Altstadt

Gleichzeitig ist laut den Forschern die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in diesem Stadtteil auffallend gering. Dieser Aspekt steht laut der Studie im Zusammenhang mit menschenfeindlichen Einstellungen.

So stimmten in der Dresdner Altstadt 18,6 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass »zu viele Ausländer in unserem Ort« leben würden. Alarmierend könnte für die Verantwortlichen auch die Antwort auf die Frage sein, ob die NPD »eine Partei wie jede andere auch sei.« Hier liegt der Anteil der Zustimmung in ganz Dresden deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

www.dresden.de/media/pdf/presseamt/studie_rechtsextremismus_110524.pdf

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