Ein weiteres Votum über den »Cavaliere«

Volksbefragung in Italien zu Atomausstieg, Wasserprivatisierung und Straffreiheit für Berlusconi

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Sonntag und Montag können die Italiener beschließen, ob sie den endgültigen Atomausstieg wollen, ob das Wasser ein öffentliches Gut bleiben oder wieder werden soll und ob sie das Gesetz abschaffen wollen, mit dem sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi faktisch Straffreiheit für seine Amtszeit auf den Leib geschneidert hat. Diese Entscheidungen sollen durch ein Referendum erfolgen.

Mit »Ja« oder »Nein« kann man über vier wesentliche Zukunftsfragen entscheiden. Soll Italien endgültig Abschied von der Atomenergie nehmen? Das Land hat derzeit keine Atomkraftwerke, weil dies 1987 schon einmal durch ein Referendum beschlossen worden war. Allerdings hatte die Berlusconi-Regierung im vergangenen Jahr einen »Ausstieg vom Ausstieg« beschlossen, der jetzt erneut rückgängig gemacht werden soll.

Zwei weitere Fragen behandeln das Problem der Privatisierung des Wassers, für die die rechte Regierung ebenfalls den Weg mit einem Gesetz geebnet hatte. Hier sollen die Bürger sagen, ob sie wollen, dass das Wasser ein öffentliches Gut bleiben soll und ob es legitim ist, mit diesem Gut Profit zu machen.

Die vierte Fragestellung betrifft das Gesetz der »legitimen Verhinderung«, das verabschiedet worden war, damit Minister – aber in erster Linie der Ministerpräsident selbst – die Möglichkeit bekommen, sich vor eventuellen Prozessen zu drücken. Ein Teil dieser Maßnahme war bereits vom Verfassungsgericht gekippt worden, aber jetzt soll es insgesamt abgeschafft werden.

In der Wahlkampagne, die gestern endete, ging es aber weniger um Sachfragen als vielmehr um die Erreichung des Quorums. Das Gesetz, das Referenden regelt, sieht nämlich vor, dass eine solche Volksabstimmung nur gültig ist, wenn mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich zur Abstimmung gehen. Und das sind in diesem Fall über 25 Millionen Menschen. Sollte diese Hürde nicht genommen werden, ist die ganze Volksbefragung hinfällig.

Außerdem hat das Referendum nach der Niederlage der Rechten bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen auch eine starke politische Bedeutung: Sollten die zur Debatte stehenden Gesetze jetzt abgeschafft werden, wäre dies eine weitere schwere Schlappe für Berlusconi und seine Regierung.

Allerdings haben die wenigsten konservativen Politiker den »Mut«, ihre Gesetze zu verteidigen. Angefangen bei Berlusconi und Umberto Bossi, dem Chef der Lega Nord, haben die allermeisten erklärt, dass sie nicht abstimmen werden – was sicherlich in demokratisch verfassten Ländern, in denen zumindest formal »alle Macht vom Volke ausgeht«, kaum jemals vorgekommen ist.

Auf der anderen Seite versuchen die Befürworter der Volksbefragung, die Menschen mit allen möglichen Mitteln an die Wahlurnen zu locken. In viele Film- und Theateraufführungen und auch Konzerte kann man in den kommenden Wochen gratis gehen, wenn man den Wahlstempel vorlegt. Auch einige Restaurants gewähren Referendumsteilnehmern einen gehörigen Rabatt. Das Internet ist mit Mails überfüllt, in denen – meist in ironischer Form – dazu aufgefordert wird, unbedingt zur Abstimmung zu gehen.

Aber objektiv ist es sicherlich schwierig, in einem Land, in dem die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei 70 Prozent liegt, das Quorum zu erreichen. Sollte es trotzdem gelingen, würde dies zumindest bedeuten, dass der Stern Berlusconis den Zenit bereits weit überschritten hat – obwohl der »Cavaliere« im Parlament noch über eine komfortable Mehrheit verfügt.

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