Unerwartet?

Feldpostbriefe aus Afghanistan

  • Jens Ebert
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland führt wieder Krieg, auch wenn die Ereignisse in Afghanistan erst seit kurzem so benannt werden. Somit wird auch wieder Feldpost geschrieben – und argwöhnisch überwacht, wie eine breite Öffentlichkeit unlängst erfuhr. Feldpost war bislang ein Begriff, der einem vergangenen, vermeintlich abgeschlossenen und zudem beschämenden Teil unserer Geschichte zugerechnet wurde. Das »Nie wieder Krieg« nach 1945 schloss ein, dass nie wieder Feldpost geschrieben würde.

Fünf Journalisten der »Süddeutschen Zeitung« haben nun erstmals zeitgenössische Feldpost herausgegeben: Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan. Im kurzen Vorwort schildern sie die Entstehung des Bandes, dem ein SZ-Magazin vorangegangen war: »Als wir das Feldpostheft planen, sind wir uns sicher, der Bundeswehr damit – ohne dies ausdrücklich zu wollen – einen Gefallen zu tun.« Ein problematischer Ansatz. Seriöse Publizistik sollte sich Analyse, Aufklärung und Erkenntnisvermittlung verpflichtet fühlen, nicht Gefälligkeiten. Die Bundeswehr war von der Idee ohnehin nicht angetan und versuchte, die Publikation zu behindern.

Der »Klassiker« unter deutschen Feldpost-Editionen sind die Kriegsbriefe gefallener Studenten von 1928. Der vorliegende Band ist ihnen verwandt, nicht nur in seiner bemühten Ideologielosigkeit. »Wer könnte besser erklären, wie die Lage in Afghanistan ist, als die Menschen, die jeden Tag dort ihren Dienst tun?«, wird im Vorwort gefragt. Man wolle »den Deutschen den Einsatz näherbringen«. Doch zu welchem Zweck? Soll der Band zu mehr Akzeptanz des Kriegseinsatzes führen? Dies allerdings wäre reine Propaganda und sicher ein Gefallen nicht nur für die Bundeswehr. Die Soldaten vermissen in ihren Briefen den Rückhalt in der Bevölkerung. Doch dieser auch von anderen beklagte Zustand entspringt keinem Mangel an Information, sondern manifesten Überzeugungen, die lediglich die Regierenden nicht teilen.

Über Hintergründe und Legitimität des Krieges wird in den Briefen fast nie reflektiert. Geschrieben wird über den Alltag, über das Leben in abgeschotteten Camps, das trotz importiertem Wohlstand (»Die Amis kleckern nicht, die klotzen. Haben hier innerhalb der afghanischen Kaserne eine Festung aufgebaut, quadratisch, praktisch, gut.«) oft unangenehm ist (»Ich verfluche diese Scheiß-Betten hier, die sind so hart wie ein Brett.«) sowie die Sehnsucht nach den Lieben in der Heimat und häufige Langeweile. Die wichtigste Erfahrung, die das Leben im Krieg von dem im Frieden unterscheidet, das Töten, ist weitgehend ausgespart. Über eigene Opfer wird zurückhaltend berichtet. Lediglich ein Oberstabsarzt lässt kurz Kriegsgrauen aufscheinen: »Tot. Das Unerwartete ist geschehen, bisher ging doch immer alles gut. In meinem Bauch breitet sich eine lähmende Leere aus.«

Wir kennen diese Art Erlebnisse und Berichte aus früheren Kriegen. Nichts von dem, was hier steht, ist neu und es ist auch kein »kollektiver Kriegsroman«, wie »Die Welt« (8.02.2011) es der Öffentlichkeit anzudienen versuchte. Der Band vereinigt nur kurze Text-Auszüge, ohne grundlegendste Quellenangaben. So kann ihm keinerlei Repräsentativität zugesprochen werden.

Wenige Erzählungen von kurzen Begegnungen mit unbekannten Menschen und deren fremdartiger Kultur, die inmitten der Trostlosigkeit und Gewalt von Menschlichkeit künden, vom Mit-Leiden, vom gleichsam privaten Versuch der Soldaten, vor Ort zu helfen, sind dann aber doch anrührend. »Wir haben jetzt hier bei uns ein internes Hilfsprogramm laufen ... Es geht darum, wenigstens einigen Flüchtlingen über den Winter zu helfen.« Das indes beweist: Um das Leben der Afghanen zu verbessern, bedarf es wirklicher Aufbauhilfe und keiner NATO-Truppen.

Marc Baumann/ Martin Langeder, Mauritius Much/ Bastian Obermayer/ Franziska Storz (Hg.): Feldpost. Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan. Rowohlt Verlag 2011. 208 S., 17,95 €.

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