Massenfestnahmen in Belarus

Nach Protesten gegen Präsident Lukaschenko

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Nicht nur in Minsk, auch in anderen belarussischen Großstädten – Gomel, Mogiljow, Witebsk und Brest – fanden sich am Mittwoch Tausende zur selben Stunde auf zentralen Plätzen ein, um schweigend gegen Präsident Alexander Lukaschenko zu protestieren. Ohne Fahnen oder Transparente.

Die Organisatoren hatten die Teilnehmer aufgefordert, lediglich zu klatschen und mit den Füßen zu trampeln, um Rechtsschutzorganen keinen Vorwand für Festnahmen zu liefern. Die hatten jedoch bereits vor Beginn der Aktion gewarnt, die Kundgebungen seien nicht genehmigt und würden daher aufgelöst. Hunderte Demonstranten – sogar staatsnahe Medien sprachen von über 500 – wurden festgenommen Augenzeugen berichten, Polizisten in Zivil und Uniform seien mit den Teilnehmern hart umgesprungen und hätten auch einfache Passanten arretiert.

Wie in arabischen Staaten wurden auch die Protestler in Belarus über Netzwerke wie Facebook mobilisiert. Erste Aufrufe standen bereits vor einem Monat im Netz. Und trotz der Festnahmen sollen künftig jeden Mittwoch in den Zentren der Großstädte ähnliche Aktionen stattfinden.

Vorbei sind offenbar die Zeiten, da Belarus als Hort der Stabilität galt. Bereits bei den Präsidentenwahlen im Dezember eskalierte die Unzufriedenheit insbesondere der städtischen Jugend zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Ordnungskräften. Die Opposition behauptet, das Regime hätte sie provoziert. Die Anführer, darunter die meisten Herausforderer Lukaschenkos bei den Wahlen, wurden verhaftet und inzwischen zu Haftstrafen verurteilt. Selbst Moskau, das seinem schwierigen Bündnispartner meist den Rücken gestärkt hatte, kritisierte in scharfer Form den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt .und protestierte vor allem gegen Übergriffe auf Journalisten, darunter auch russische,

Inzwischen sind die Spannungen weiter eskaliert. Denn die Zeiten bescheidener sozialer Wohltaten – finanziert durch Freundschaftspreise für russische Gas- und Öllieferungen –, mit denen Lukaschenko die Bevölkerung beruhigte, sind seit Frühjahr vorbei. Der belarussische Rubel wurde massiv abgewertet, Preise für Strom, Benzin und Lebensmittel zogen kräftig an. Die Ladenregale sind nach Hamsterkäufen von Bürgern, die um ihre Ersparnisse fürchten, nahezu leer, die Schlangen vor den Tankstellen mehrere Kilometer lang.

Zwar soll ein Drei-Milliarden-Dollar-Kredit aus Moskau den drohenden Staatsbankrott abwenden. Die erste Tranche wurde Mittwoch überwiesen, ist aber mit harten Auflagen verbunden. Dazu gehört auch, dass Lukaschenko für Ruhe und Ordnung sorgt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal