Weitere Wege oder Abfindung?

Telekom errichtet neues Service Center in Leipzig und schließt in Gera und Halle / Kritik von ver.di und Beschäftigten

  • Heidrun Böger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein modernes Service-Center gleich am Leipziger Hauptbahnhof hat die Deutsche Telekom am Montag eröffnet. Das Vorhaben gehört zu einem deutschlandweiten Konsolidierungskonzept, das die Reduzierung der ehemals 83 Standorte auf dann 33 vorsieht. Die Konzernführung verspricht hier in der Brandenburger Straße moderne Arbeitsplätze für 900 Beschäftigte. Man könne einen besseren Service anbieten und vor allem die Arbeitsplätze erhalten. Doch bei den Betroffenen gibt es nicht nur Begeisterung. Auch die Gewerkschaft äußert Kritik.

Die Telekom betreibt seit Montag in Leipzig auf einer Fläche von 8600 Quadratmetern ihr bundesweit zweitgrößtes Service-Center. Wer einen Telefonanschluss anmeldet oder Fragen zur Rechnung hat, hat künftig relativ oft einen Mitarbeiter in Leipzig am Telefon. Die Telekom will laut Aussage von Gero Niemeyer, Geschäftsführer der Telekom Kundenservice GmbH, »den Service weiter verbessern.« Man biete optimale Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Arbeitsplätze in der Region würden gehalten und sogar neue hinzukommen. In Leipzig sind 500 Angestellte der Telekom betroffen, die von verschiedenen Standorten aus in die neue viergeschossige Zentrale umziehen.

Allerdings wurden im Zuge der Umstrukturierung auch je ein Service-Center in Gera mit 140 Beschäftigten und in Halle mit 250 Beschäftigten nach Leipzig verlagert. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde angeboten, in die Messestadt zu wechseln. Dazu Georg von Wagner, Pressesprecher der Deutschen Telekom: »Zu den gleichen finanziellen Bedingungen wie bisher.«

Jedoch hat ein Teil der Mitarbeiter Aufhebungsverträge abgeschlossen, sie wollen oder können den Weg bis Leipzig nicht fahren. Sie erhalten zwar eine Abfindung, ihren Arbeitsplatz haben die oft langjährigen Mitarbeiter aber verloren. Das kritisiert vor allem ver.di. Deren Vertreter Hans-Joachim Fischer: »Seit der Standortschließung haben bereits über 70 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz aufgegeben, weil sie örtlich gebunden sind.« Ein Mitarbeiter aus Gera, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, glaubt, dass es mehr sind: »Ich selbst fahre früh halb sechs zu Hause los, um pünktlich um 7 Uhr in Leipzig zu sein.« Da er ein Haus in Gera hat, kommt ein Umzug nach Leipzig für ihn nicht in Frage. Er glaubt, dass man bei der Telekom vor allem langjährige Kollegen und Kolleginnen loswerden möchte, die bedeutend mehr Gehalt bekommen als neu eingestellte.

Ähnlich sieht das ein Kollege, der bisher im Service-Center in Halle gearbeitet hat: »Ich wohne in einem kleinen Ort bei Halle, für mich sind es zehn Kilometer mit dem Auto mehr, das geht eigentlich.« Wer allerdings in Richtung Sangerhausen wohne, für den sei die Schließung des Service-Centers in Halle hart. Er schätzt, dass etwa 40 Kolleginnen und Kollegen mitgegangen sind nach Leipzig. Wie sein Kollege aus Gera auch kritisiert er zudem die Großraumbüros für etwa 65 Mitarbeiter und das Fehlen eines individuellen Arbeitsplatzes. Jeden Tag bei Arbeitsbeginn muss er sich einen freien Platz suchen: »Allerdings fehlen mir noch etwas die Erfahrungen, wie es sich unter den neuen Bedingungen arbeitet. Wir sind ja erst ein paar Tage hier.«

Telekomsprecher Georg von Wagner kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Den jetzt vorliegenden Kompromiss mit 33 Standorten habe man mit dem Sozialpartner ausgehandelt. Wichtig sei vor allem, die ständige Schulung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das sei an einem Standort besser möglich als an vielen verschiedenen: »Alternativ hätten wir den Servicebereich auf einem umkämpften Markt an andere Firmen oder sogar ins Ausland auslagern müssen.« Auch die Gehälter seien, so der Sprecher, weiterhin »überdurchschnittlich hoch im Vergleich zu dem, was sonst in der Branche gezahlt wird.« Neueingestellte würden ein Einstiegsgehalt bekommen, das mit den Jahren steige. Und die Großraumbüros? Aus Sicht von Wagners spricht die bessere Kommunikation unter den Mitarbeitern dafür: »So lassen sich viele Dinge schneller klären.« Die Beschäftigten hätten hochmoderne Computer und Bildschirme, zudem gebe es einen guten Schallschutz.

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