Einbeziehung von Mahngebühren bisher ohne gesetzliche Grundlage

Hartz IV

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg hat bei Hartz-IV-Empfängern jahrelang rechtswidrig Mahngebühren erhoben. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hervor.

Der Hintergrund: Die Arbeitslosengeld-II-Empfänger müssen zuviel erhaltene Leistungen zurückzahlen. Bislang beauftragen 95 Prozent aller Jobcenter die BA damit, die offenen Forderungen für sie einzutreiben. Kommen die Hartz-IV-Bezieher dem nicht oder nur verspätet nach, wurden bislang bei einer Mahnung Gebühren fällig.

Dafür gab es aber bis April 2011 gar keine gesetzliche Grundlage, stellte das BSG jetzt fest. Folglich können Betroffene bereits gezahlte Mahngebühren nun wieder zurückfordern. Ob die Erhebung von Mahngebühren auch nach der gesetzlichen Neuregelung rechtswidrig ist, ließ das BSG offen.

Höheres Einkommen als angenommen

Im konkreten Fall hatte sich ein Hartz-IV-Empfänger aus Leipzig gegen Mahngebühren in Höhe von 29,70 Euro gewehrt. Der Selbstständige hatte nach einer Schätzung seines Einkommens von 2005 bis 2007 Arbeitslosengeld II erhalten. Als nachträglich festgestellt wurde, dass der Mann höhere Einkünfte hatte, als zuvor angenommen worden war, sollte er 5886,25 Euro zurückzahlen. Als er nicht darauf reagierte, erhielt er von der BA eine Mahnung, in der auch Mahngebühren gefordert wurden.

Mahnung ist ein Verwaltungsakt

Der Leipziger meinte, dass die Mahngebühren rechtswidrig festgesetzt wurden. Die Mahnung stelle einen Verwaltungsakt dar, bei dem er ein Widerspruchsrecht habe. Darauf habe die BA aber nicht hingewiesen.

Das Bundessozialgericht entschied nun, dass die Mahnschreiben als Verwaltungsakt anzusehen seien, auf den Alg-II-Empfänger mit einem Widerspruch reagieren können. Außerdem sei die Bundesagentur bis zur gesetzlichen Neuregelung für die Mahnung gar nicht »sachlich zuständig« gewesen (Az. B 14 AS 54/10 R).

Die Zahl der selbstständigen Hartz-IV-Empfänger nimmt ständig zu. Eine der Ursachen dürfte darin bestehen, dass viele Hartz-IV-Empfänger nur kurz im Job bleiben – wenn sie überhaupt einen finden. Nach einer Studie der BA ist fast die Hälfte (45 Prozent) nach maximal einem halben Jahr wieder arbeitslos, so das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Viele ehemals Erwerbslose müssten zudem weiterhin staatliche Unterstützung beziehen, weil der Lohn nicht für den Lebensunterhalt reiche.

Hartz-IV-Empfängern werden der Studie zufolge eher Aushilfsjobs oder Arbeitsplätze in der Leiharbeit angeboten. »Bei instabiler, kurzfristiger Beschäftigung besteht ein hohes Risiko, in den Leistungsbezug zurückzukehren, sofern keine Anschlussbeschäftigung gefunden wird«, erläuterten die Arbeitsmarktforscher.

Alleinerziehende haben die geringsten Chancen

Nur 56 Prozent der ehemaligen Hartz-IV-Empfänger, die eine Vollzeitstelle gefunden hatten, konnten langfristig auf staatliche Unterstützung verzichten.

Für Paare mit Kindern oder Alleinerziehende war der Weg aus der Bedürftigkeit schwerer – nur ein Drittel schaffte es, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Singles ohne Kinder hätten laut Studie des Nürnberger Instituts die besten Chancen, den Sprung ins Arbeitsleben zu schaffen, betonten die Wissenschaftler

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