Kein Konsens über Nachatomzeitalter

Opposition in Hessen kritisiert geplanten Ausbau von Kohlekraftwerken

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Montag tagte erneut der Hessische Energiegipfel. Trotz großer Differenzen in wichtigen Teilbereichen sprachen Teilnehmer von einer »konstruktiven Atmosphäre«.

Es war bereits die dritte Zusammenkunft in der Wiesbadener Staatskanzlei: Anfang April hatte sich die Energierunde konstituiert, der neben Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und weiteren Regierungsvertretern auch die Vorsitzenden aller fünf Landtagsfraktionen, Spitzen der Energiekonzerne E.on und RWE sowie Vertreter von Unternehmerverbänden, kommunalen Dachorganisationen und DGB-Gewerkschaften angehören. Unter dem Druck der Opposition wurden nachträglich auch Repräsentanten des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) und des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in den Kreis kooptiert.

Der Hessische Energiegipfel war nach der atomaren Katastrophe im japanischen Fukushima auf Anregung des hessischen DGB-Vorsitzenden Stefan Körzell einberufen worden und soll »größtmöglichen Konsens« für eine zukünftige Energiepolitik in Hessen erreichen, Energieeffizienz- und Energieeinsparpotentiale und »Anforderungen an eine verlässliche und versorgungssichere Energieinfrastruktur« identifizieren sowie »Wege zur gesellschaftlichen Akzeptanz einer veränderten Energiepolitik« im Lande aufzeigen. Nach der ursprünglichen Regie soll bis Ende September ein Gesamtergebnis vorliegen. Nach einer – allerdings nicht repräsentativen – Umfrage beim Hessentag, einem alljährlich stattfindenden Volksfest zur Förderung des Wir-Gefühls im Sechs-Millionen-Bundesland, halten rund 90 Prozent der knapp 1000 Befragten die Energiewende für richtig. 54,7 Prozent wollen sich sogar auf lokaler Ebene an der Gestaltung der Energiewende beteiligen und sind zu Genossenschaftsmodellen bereit.

Die CDU-FDP-Landesregierung hatte vergangenen Freitag im Bundesrat der neuen Linie der Bundesregierung und damit dem vom Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossenen Atomausstieg bis zum Jahre 2022 zugestimmt. Es bleibe beim Atomausstieg, hatte Bouffier am Wochenende bekräftigt und gleichzeitig jedoch »Mut zu der einen oder anderen Kurskorrektur« angemahnt. Schließlich bräuchten die Unternehmen eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Dem CDU-Mann schwebt damit vor allem der weitere Ausbau von Gas- und Kohlekraftwerken vor.

Genau dies lehnen jedoch die Oppositionsparteien SPD, Grüne und LINKE ab. Sie nehmen Anstoß an dem geplanten Ausbau des zwischen Hanau und dem bayerischen Aschaffenburg gelegenen E.onKohlekraftwerks Staudinger (Foto: dpa). Dass E.on bereits im Mai beim zuständigen Regierungspräsidium eine Teilgenehmigung für den Ausbau in Groß-Krotzenburg am Main beantragt hat und die Genehmigung bereits vorliegt, blieb der Öffentlichkeit wochenlang verborgen und hat die Opposition besonders empört. SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel kritisiert dies als »falsche Strukturentscheidung bei der Energiewende«. Die SPD hatte daher eine Sondersitzung des Umweltausschusses beantragt und dabei Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) eine »bewusste Irreführung« vorgeworfen. Als »Taschenspielertrick« bezeichnete LINKE-Fraktionschefin Janine Wissler die Tatsache, dass erst zu Beginn der hessischen Sommerferien die Öffentlichkeit informiert worden sei. So würden die Klagemöglichkeiten betroffener Bürger erschwert. Regierungschef Bouffier sei nach wie vor ein »Bedenkenträger und kein Motor der Energiewende«, so Wissler.

Das Kraftwerk Staudinger war dem Vernehmen nach am Montag nur am Rande ein Thema. Hier besteht nach wie vor kein Konsens. Überhaupt nicht zur Sprache beim Gipfel kamen erneute »Zwischenfälle« im Block B des betagten Atomkraftwerks Biblis, die der Betreiber RWE in den vergangenen Tagen gemeldet hatte. Beide Blöcke in Biblis sind seit Monaten abgeschaltet.

Im Vorfeld des Energiegipfels hatte die SPD kritisiert, dass die CDU-FDP-Koalition den Ausbau der Windenergie im Lande »mit bürokratischen Hemmnissen gebremst« habe. Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebene Erhöhung der Fördersätze für die Offshore-Windkraft sei ein Förderprogramm vor allem für die vier großen Energiekonzerne E on, RWE, EnBW und Vattenfall, bemängelt Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir. Denn nur sie verfügten über das zum Aufbau der Anlagen auf hoher See nötige Kapital.

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