Nachspiel zu Polens Medienskandal

Ehemalige Vizekulturministerin Aleksandra Jakubowska verurteilt

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Parallel zu den Londoner Turbulenzen um die Abhör- und Korruptionsaffäre im Medienimperium Rupert Murdochs fand an der Weichsel ein gerichtliches Nachspiel zum neun Jahre alten »Rywin-Skandal« statt.

Das Warschauer Bezirksgericht verurteilte dieser Tage die 57-jährige Aleksandra Jakubowska zu acht Monaten Gefängnis. Die Strafe wurde für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Als stellvertretende Kulturministerin in der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Leszek Miller hatte Frau Jakubowska im Jahre 2002 zwei Wörter aus einer bereits vom Kabinett beschlossenen Regierungsvorlage zur Novellierung des Rundfunk- und Fernsehgesetzes gestrichen. Diese Korrektur sollte die Konzentration verschiedener Medien in den Händen mächtiger Verlagshäuser der Tagespresse verhindern. Betroffen davon war vor allem der Medienkonzern Agora S.A., Herausgeber der tonangebenden polnischen Tageszeitung »Gazeta Wyborcza«. Der Plan der Agora-Aktiengesellschaft, sich die Regionalsender des öffentlichen Fernsehens TVP einzuverleiben und damit den Weg zur Privatisierung der gesamten staatlichen Fernsehanstalt zu öffnen, wurde damit vereitelt.

Es hätte seinerzeit auch ganz anders kommen können. Lew Rywin, Filmproduzent und Besitzer eines privaten Fernsehunternehmens, war im Juli 2002 zum Chefredakteur besagter »Gazeta Wyborcza«, Adam Michnik, gegangen und hatte ihm angeboten, für eine Fassung des Mediengesetzes zu sorgen, die der Agora S.A. den Einstieg in das Fernsehgeschäft geebnet hätte – wenn sie dafür 17,5 Millionen Dollar auszugeben bereit gewesen wäre. Von Michnik gefragt, welche Garantien Rywin ihm dafür geben könne, dass der Coup gelingt, antwortete der, dafür werde »eine Gruppe von Machthabenden« sorgen. Michnik hatte das Gespräch mit Rywin in seinem Chefredakteursbüro heimlich mitschneiden lassen. So wurde es »aktenkundig«. Fünf Monate später (!) stand der Wortlaut gedruckt in der Zeitung und der Skandal war perfekt.

Was folgte, waren Parlamentsdebatten und monatelange Verhöre in einem Untersuchungsausschuss, dem ersten überhaupt, den Polens Sejm eingesetzt hatte. Etliche Mitglieder des Ausschusses wurden in der Folgezeit zu bekannten Politikern. Ein Millionenpublikum verfolgte das Geschehen mit wachsender Spannung, die Regierung geriet ins Wanken.

Als Häuptling unter den »Machthabenden« war Leszek Miller nach einem Jahr am Ende. 2004 trat er zunächst vom Amt des Vorsitzenden des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), dann auch vom Posten des Ministerpräsidenten zurück. 2005 verlor das SLD die Parlamentswahlen. Das war – so meinen viele – überhaupt das Ziel der Übung.

Aleksandra Jabubowska, damals auch als die »Löwin der Linken« bekannt, inzwischen nicht mehr Mitglied der Partei, wurde in einem ersten Gerichtsverfahren 2007 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft beantragte jedoch Revision, der jetzt, vier Jahre später, entsprochen wurde. Weder nach dem Auffliegen der »Rywin-Affäre« 2002/03 noch heute lässt man in Polens Politik und Publizistik gelten, dass Frau Jakubowska die »unberechtigte« Korrektur in einer Regierungsvorlage vornahm, die dem Sejm noch gar nicht zugeleitet war.

Dass sie damit das Machtstreben der Pressekonzerne blockierte, will vielen Bürgern Polens nicht einleuchten. Wozu denn auch? Glotze ist Glotze. Von wem auch immer, staatlich oder privat – die gleiche Marmelade.

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