Im Auftrag der Statistik

Helfer sammeln für die Experten regelmäßig Daten zur Preisentwicklung – ein Beispiel aus NRW

  • Petra Albers, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeden Monat veröffentlichen die Statistikämter die Entwicklung der Inflationsrate. Aber wie kommen sie an die Daten? Preiserheber ziehen regelmäßig durch Geschäfte, Büros, Arztpraxen und notieren Hunderte von Preisen. So wie Lisa Bringmann in NRW.
Ob Kaufhäuser, Tankstellen oder Bestatter – Lisa Bringmann erfasst Preise. Foto dpa/Rolf Vennenbernd
Ob Kaufhäuser, Tankstellen oder Bestatter – Lisa Bringmann erfasst Preise. Foto dpa/Rolf Vennenbernd

Köln. Wundpflaster? Gleich geblieben. Fieberthermometer? Gleich geblieben. Mundwasser? »Oh, 20 Cent billiger geworden!« Sorgfältig notiert Lisa Bringmann die Zahl in ihrer Liste und fügt die Buchstaben »PA« hinzu, das Kennzeichen für »dauerhafte Preisänderung«.

Bringmann ist im Auftrag des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Statistik unterwegs. Jeden Monat zieht sie durch dutzende Geschäfte in Köln und hält fest, welche Produkte teurer oder billiger geworden sind. Ihre Angaben werden zur Berechnung des amtlichen Verbraucherpreisindex' benötigt, der die durchschnittliche Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen misst.

50 Cent pro Erfassung

Mit einem Aktenordner in der Hand läuft Bringmann zwischen den Regalen in einer Drogerie hin und her. Ob Haarspray, Zahncreme oder »Diät-Fruchtsaftgetränk ohne Kohlensäure« – allein für dieses Geschäft sind rund 50 Produkte in der Tabelle aufgeführt.

Aus jeder Warengruppe hat die 43-Jährige sich jeweils eine konkrete Marke ausgesucht, deren Preis sie Monat für Monat überprüft. »Da muss man ganz genau hingucken, denn manchmal ändern die Hersteller die Verpackungen. Wenn dann auf einmal weniger Inhalt zum selben Preis drin ist, schreibe ich das auf, weil das Produkt dann ja teurer geworden ist.« Inzwischen weiß Bringmann von den meisten Sachen, wo sie im Laden stehen. »Aber manchmal räumen die Geschäfte um – dann muss ich ewig suchen.«

Seit knapp zwei Jahren arbeitet die Mutter von zwei Kindern freiberuflich für das Statistikamt. »Es ist ein kleines Zubrot, und es macht mir Spaß, weil ich mit vielen Menschen in Kontakt komme.« In einer vorgegebenen Woche jeden Monats zieht sie los und klappert rund 50 Stellen in der Kölner Innenstadt und im Stadtteil Ehrenfeld ab: Elektronikläden, Kaufhäuser, Optiker, Baumärkte, Tankstellen und Apotheken – aber auch Krankengymnasten und Bestatter. Bei Zahnärzten erfragt sie etwa die Kosten für eine »Brücke zum Ersatz eines Zahnes mit zwei Brückenankern«. Rund 400 Produkte kontrolliert Bringmann insgesamt. Für jeden erfassten Preis erhält sie 50 Cent als Bezahlung.

Ihre Ergebnisse tippt sie zu Hause in den Computer ein und übermittelt sie an das Statistische Landesamt in Düsseldorf. Dessen Mitarbeiter errechnen unter anderem aus den Angaben von Bringmann und 57 weiteren Preiserhebern die Inflationsrate für NRW.

Ein schiefes Bild

Außerdem werden die Daten an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden weitergegeben und fließen in den Verbraucherpreisindex für Deutschland ein. Bundesweit sind rund 600 Preiserheber in 190 Gemeinden unterwegs, die monatlich mehr als 300 000 Einzelpreise erfassen. Die Statistiker legen für ihre Berechnungen einen fiktiven Warenkorb zugrunde, der etwa 700 Güter und Dienstleistungen enthält. »Für jede Ware errechnen wir den Durchschnittspreis und die Veränderungen zum Vormonat«, erläutert Gerhard Lenz, der zuständige Referent im Landesamt für Statistik NRW.

Die verschiedenen Produktgruppen werden unterschiedlich gewichtet, je nachdem, wie viel ein Haushalt im Schnitt dafür ausgibt. Den größten Anteil am »Warenkorb« machen Mieten, Wasser, Strom, Gas und Heizöl mit zusammen 30 Prozent aus – ein Grund, weshalb das Bild vom Warenkorb etwas schief ist. Am Ende der Berechnungen steht ein gewichteter Mittelwert aus den Preisen der Waren und Dienstleistungen, die ein Haushalt typischerweise benötigt – der Verbraucherpreisindex.

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