- Politik
- Halbes Jahr Trump: Außenpolitik
Die Weltmacht hält das aus
Trumps Außenpolitik ist voller Fehlkalkulationen. Doch ihn schützt die Dominanz der USA
Der amtierende US-Präsident verfügt ebenso wie die globale neue Rechte insgesamt über kein kohärentes politökonomisches Projekt, das umsetzbar wäre. Donald Trump macht verschiedenen Interessengruppen unterschiedlichste Versprechen: beispielsweise niedrige Steuern für Reiche und die Mittelschicht, eine Rückkehr von Industriejobs durch chaotisches Agieren in der Handelspolitik, aber ohne planvolle Industriepolitik, Vollbeschäftigung und niedrige Inflation. Es ist nicht möglich, diese Versprechen alle einzulösen. Doch gelingt – oder gelang – es Trump, diese Illusion über viele Jahre (bis zum Beginn der Pandemie, grob gesprochen) aufrechtzuerhalten: indem er geschickt skandalisierte, um eigene Themen zu setzen, aber auch, indem er Verfehlungen der etablierten US-Politik beim Namen nannte.
Diese Formel kann man eigentlich eins zu eins auf Trumps Außenpolitik übertragen. Als vielleicht erster erfolgreicher Bewerber für das Weiße Haus sprach er im Wahlkampf 2015/2016 teils offen über die Verbrechen der USA in der Welt. Berüchtigt auch sein Versprechen von 2023, er werde den Ukrainekrieg innerhalb von 24 Stunden beenden.
Doch natürlich – und das war beim genauen Hinsehen eigentlich schon immer klar – ist Trump kein Antiimperialist, kein Friedenspräsident, und der Krieg in der Ukraine wird mit unverminderter Brutalität fortgeführt. Trumps Außenpolitik ist katastrophal – für die Welt, wie auch für die USA. Der Grund, warum ihre destruktive und destabilisierende Wirkung nicht immer sofort offensichtlich wird, ist einfach: Die USA können sich eine schlechte Regierung leisten – bislang jedenfalls. Die strukturellen und geoökonomischen Vorteile, welche der globale Hegemon genießt, sind so tief verankert, dass sie sich nicht so einfach wettmachen lassen – nicht einmal durch den Hegemonen selbst.
Atomabkommen-Ausstieg: Eine verheerende Entscheidung
Die Verwerfungen, die Trumps Außenpolitik nach sich zieht, werden sich deshalb erst mittelfristig zeigen. Dies gilt auch für seine erste Amtszeit von 2017 bis 2021. Auch damals führten seine Entscheidungen eher nicht zu akuten globalen Krisen – denn bereits damals schreckte Trump davor zurück, allzu große unmittelbare Risiken einzugehen, aller martialischer Rhetorik zum Trotz.
Der Schaden, den er anrichtete, war trotzdem signifikant. Verheerend etwa die Entscheidung des US-Präsidenten, sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzuziehen; sie leistete einen signifikanten Beitrag zur Destabilisierung der Region, die in den Kriegen im Jemen, in Gaza, im Libanon und zwischen Israel und dem Iran mündete. Der russische Überfall auf die Ukraine fällt zwar in die Amtszeit von Joe Biden, jedoch ist klar, dass er von langer Hand geplant war – also auf russischer Seite während Trumps erster Amtszeit in die Wege geleitet wurde. Die Russlandpolitik von Trump trug dazu bei, dass es weder zu einem tragfähigen Interessenausgleich etwa im Rahmen der Minsk-Abkommen kam, noch, dass Russland durch entsprechende US-Sicherheitsgarantien von einem Angriff abgeschreckt worden wäre – an beidem hatte Trump keinerlei Interesse.
Dabei wäre es ein Fehler, Trumps Verhältnis zu Russland, oder zum russischen Präsidenten, übermäßig zu psychologisieren. Möglicherweise hegt Trump für Putin als ähnlich gesinnten Autokraten persönliche Sympathien. Für das gegenwärtige Verhältnis zwischen den USA und Russland ist dies aber nicht entscheidend. Trump hält den Ukrainekrieg im Wesentlichen für eine schlechte Investition, aus der er sich gerne zurückziehen würde – die Kosten sollen die übrigen Nato-Staaten tragen. Er bevorzugt die Pflege von bilateralen Beziehungen über komplexe Bündnisarchitekturen und hängt der Vorstellung an, zusätzlichen Druck auf China ausüben zu können, indem er einen Keil zwischen Moskau und Beijing treibt. Das ist ein aberwitziges Unterfangen, das bislang zu keinem Erfolg geführt hat, denn Russland ist auf China als Bündnispartner angewiesen. Ohne das wirtschaftliche Gewicht der Volksrepublik im Rücken sind Putins Träume von einer neuen – wenigstens regionalen, wenn nicht sogar kontinentalen – Hegemonie unerreichbar.
Die USA können sich noch einige Fehler leisten.
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Der Glaube, er könne mit Putin einfach so einen Deal machen, um damit das Ukraine-Problem vom Tisch zu haben, war ein klassischer Trump-Fehler, den der US-Präsident nun mit seinem Ultimatum an Putin in einer hastigen Kurskorrektur zu kaschieren versucht. Trumps Weltsicht beruht auf einem zutiefst transaktionalen Menschenbild. Abstrakte ideologische Ziele oder Überzeugungen hat er kaum, gerade in außenpolitischen Fragen. Der US-Soziologie Vivek Chibber unterstellt ihm, eher in Heuristiken oder »Faustregeln« zu denken. Dafür, dass Putins Überfall auf das Nachbarland zum Teil ideologisch motiviert ist, fehlt ihm schlicht das Verständnis.
China könnte vom Westen unter Umständen durchaus dazu bewogen werden, mäßigend auf Putin einzuwirken, denn umgekehrt ist es nicht auf Gedeih und Verderb auf seinen nördlichen Nachbarn angewiesen und wünscht sich dort im Wesentlichen Stabilität. Dies würde allerdings einen fundamentalen Neuanfang der USA-China Beziehungen – zum Großteil ruiniert durch Obamas desaströse »Wende nach Asien« – voraussetzen. Doch die Konkurrenz mit China als Nullsummenspiel ist eine weitere fixe Idee Trumps, die er in diesem Fall mit dem Establishment beider Parteien teilt.
Langfristig untergräbt Trump durch seine Bündnis-, Wirtschafts-, Einwanderungs- und Energiepolitik zwar die Grundpfeiler der US-Hegemonie. Doch die USA können sich mittelfristig noch einige Fehler leisten: Sie sind immer noch die mit Abstand größte Militärmacht der Erde, mit Stützpunkten rund um die Welt, und autark in Sachen Landwirtschaft und fossiler sowie, zumindest potenziell, erneuerbarer Energie. Auch profitieren die USA von der Zerstrittenheit ihrer Kontrahenten: Weder Europa noch der Globale Süden schafft es etwa, eine koordinierte Antwort auf Trumps handelspolitische Kapriolen zu finden. Für ein breites Gegenbündnis fehlt das gegenseitige Vertrauen, die zwischenstaatliche Konkurrenz überwiegt. Zum US-Dollar als globaler Leitwährung fehlt weiterhin eine praktikable Alternative. Der innere Zerfall der US-Gesellschaft, mit sinkender Lebenserwartung und Lebensstandards, hat in den letzten 20 Jahren nicht zu einer Schwächung des US-Imperialismus geführt. Irgendwann mag dieser Kipppunkt erreicht sein, doch bislang kündigt er sich nicht an.
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