»Der Himmel so blau wie bei der Aschewolke«

Für heute Morgen rief die Gewerkschaft der Flugsicherung flächendeckend zum Streik

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GDF) hat zu einem sechsstündigen Streik am heutigen Vormittag aufgerufen. Ein Arbeitsgericht sollte einen Antrag der Arbeitgeber über ein Streikverbot entscheiden.

Aufgerufen zum Streik waren alle 5800 Tarifbeschäftigten der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS), darunter rund 1800 Fluglotsen. Zwischen sechs und zwölf Uhr sollte die Arbeit an allen hiesigen Standorten niedergelegt werden. Zuvor hatten sich über 96 Prozent der GDF-Mitglieder in einer Urabstimmung für den Streik ausgesprochen. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Fluglotsen flächendeckend streiken wollen. Die DFS hatte versucht, den Streik gerichtlich in letzter Minute zu verhindern. Danach bestünde noch die Möglichkeit, für die gescheiterten Tarifverhandlungen die Schlichtung anzurufen, was eine sofortige Friedenspflicht nach sich ziehen würde. Bei Redaktionsschluss tagte das Gericht noch.

Bei der seit über einem halben Jahr laufenden Tarifauseinandersetzung geht es auch ums Geld. Die GDF fordert eine Entgelterhöhung von 6,5 Prozent. Die DFS bietet derzeit rückwirkend zum 1. August 3,2 Prozent, eine Einmalzahlung und zum November 2012 noch einmal zwei Prozent – aufs Jahr gerechnet weniger als die Inflationsrate, sagt die GDF.

Auch an zwei anderen Punkten ist keine Einigung in Sicht: Zum einen will die GDF, dass Beschäftigte, die in mit dem Lotsenbetrieb verbundene Führungspositionen wechseln, Erfahrung als Fluglotsen mitbringen. Das wolle die DFS nicht, sondern eher Betriebswirtschafter einstellen, erklärt Roman Glöckner von der GDF. Für die DFS verstößt dieser Teil der Forderungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Darum zog sie vors Arbeitsgericht.

Der andere Punkt betrifft die Nachwuchssorgen der Fluglotsen. Die Gewerkschaft wirft der DFS vor, zu spät mit der verstärkten Ausbildung und mit Neueinstellungen begonnen zu haben. Derzeit fehlen nach Berechnungen der GDF bis zu 350 Fluglotsen. In den nächsten Jahren könnte die Zahl ruhestandsbedingt auf 700 steigen. Aufgefangen wird der Personalmangel durch Überstunden. »Teilweise haben die Kollegen bis zu 150 Stunden auf dem Konto. Diese Überlastung geht irgendwann auch auf Kosten der Sicherheit.« Die DFS wolle die Überstunden noch ausweiten: per Tarifvertrag auf bis zu 250 Stunden im Jahr für die zu dünn besetzten Bereiche. Für diese Lotsen würde das einen Tag Mehrarbeit in der Woche für ein halbes Jahr bedeuten. »Das würde zwar auch gut bezahlt«, sagt Glöckner, »aber Geld ist eben nicht alles. Damit kann man sich keine Gesundheit und auch keine Flugsicherheit kaufen.«

Es gehe nicht um Maßnahmen, die die Sicherheit berühren würden, sagt dagegen DFS-Sprecherin Kristina Kelek. Vielmehr sei die Mehrarbeit, begrenzt bis 2015, nötig, weil man EU-Regularien einhalten müsse. Doch die GDF will erst über die Vergütungen und Eingruppierungen verhandeln und dann den Personalmangel lösen. Die DFS will die beiden Bereiche in der laufenden Tarifrunde verknüpfen.

Bei den Fluglinien und Flughäfen liefen die Vorbereitungen für den Fall, dass gestreikt wird, am Mittwoch auf Hochtouren. Man werde versuchen, Flüge nach vorne zu verlegen und auch zu verspäten, um so viele Passagiere wie möglich vor sechs und nach zwölf Uhr an ihr Ziel zu bringen, sagte Airberlin-Sprecherin Melanie Schyja. »Und dazwischen ist der Himmel so blau wie bei der Aschewolke.« Langstreckenflüge oder Urlaubsflüge, die nur einmal am Tag gehen, würden in dem Sinne bevorzugt behandelt, dass beispielsweise bei der Verbindung Berlin-Köln, die 16 Mal täglich geflogen wird, Passagiere vom 12-Uhr- auf den 14-Uhr-Flug umgebucht werden könnten. Flugstreichungen seien das letzte Mittel. Schätzungen zufolge könnten bundesweit bis zu 2500 Flüge betroffen sein, meldete AFP. Reisende sollten sich auf den Internetseiten der Fluggesellschaften aktuell informieren.

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