Abmahnung hat nun auch Dokumentationsfunktion

Arbeitsrecht

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Die Abmahnung stellt eine grundsätzliche Voraussetzung für verhaltensbedingte Kündigungen dar. Entbehrlich ist sie nur selten bei schweren Pflichtverstößen. Nach dem bisherigen Verständnis hatte sie zwei Funktionen: die Hinweisfunktion und die Warnfunktion.

Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Abmahnung in der »Emmely«-Entscheidung (BAG-Urteil vom 10. Juni 2010, Az. 2 AZR 541/09) eine dritte Funktion zuerkannt, nämlich die Dokumentation eines nicht beanstandungsfreien Arbeitsverhältnisses. Darauf macht die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Monika Birnbaum vom Verband deutscher Arbeitsrechts-Anwälte e.V. (VdAA), aufmerksam.

Pflichtverletzung und Interessenabwägung

Was hat das für Konsequenzen? Die neue Dokumentationsfunktion erlangt ihre besondere Bedeutung bei der verhaltensbedingten Kündigung. Auch wenn der Arbeitgeber den Pflichtenverstoß nachweist und auch nachweist, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld im Rahmen der Mitarbeiterführung klare Anweisungen erhalten hat, ist die Kündigung erst dann möglich, wenn auch die anzustellende Interessenabwägung die Kündigung als ultima ratio bejaht.

Das »Vertrauenskonto« des Arbeitnehmers

In der damaligen »Emme- ly«-Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht betont, dass es keine Pflichtverletzungen gibt, die eine Interessenabwägung entbehrlich macht. In der Interessenabwägung spielt das vom BAG sogenannte »Vertrauenskonto« des Arbeitnehmers eine maßgebliche Rolle: Durch lange problemlose Dauer des Arbeitsverhältnisses füllt sich dieses Konto allmählich. Der Arbeitnehmer gewinnt dadurch einen Vertrauensvorschuss. Begeht er dann eine schwere Pflichtverletzung, wird das Vertrauenskonto abgebaut. Wenn das Konto nun nach Jahrzehnten gut gefüllt war, kann es sein, dass das Vertrauen auch durch einmalige schwere Verstöße nicht zerstört wird.

Anders ist dies nur, wenn der Arbeitgeber den Nachweis führen kann, dass es schon in der Vergangenheit bereits zu Problemen im Arbeitsverhältnis gekommen ist und ein Vertrauensvorschuss gerade nicht nachhaltig aufgebaut wurde. Dieser Nachweis kann in der Praxis durch in der Vergangenheit liegende Abmahnungen, Ermahnungen und Kritikgespräche geführt werden.

Häufig unterbleiben Abmahnungen aus den verschiedensten Gründen (Bequemlichkeit, Scheu vor Konflikten), oder Abmahnungen werden frühzeitig wieder aus der Personalakte entfernt. Auch eine Dokumentation von Kritikgesprächen und Ermahnungen ist nicht die Regel. Die Folge ist, dass der Arbeitnehmer im Prozess mit einer völlig weißen Weste dasteht und der aktuelle Pflichtverstoß als der erste nach Jahren erscheint.

Abmahnung nicht aus der Personalakte entfernen

Die Folge der neuen Rechtsprechung ist, so die Fachanwältin Birnbaum, dass Abmahnungen nicht aus der Personalakte entfernt werden sollten. Außerdem sollten auch Ermahnungen und Kritikgespräche unbedingt nachweisbar dokumentiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer sich später im Rahmen der Interessenabwägung nicht auf ein völlig problemlos verlaufendes Arbeitsverhältnis berufen kann.

Es ist also den Betroffenen zu empfehlen, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen.

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