Reiseversicherungen – einzeln oder im teuren Paket

ND-Serie: Welche Versicherungen Sie wirklich brauchen (Teil 21)

  • Lesedauer: 4 Min.
In einer Artikelserie zum umfangreichen Thema Versicherungen behandelt unser Autor HERMANNUS PFEIFFER, Wirtschaftspublizist in Hamburg, jeden Mittwoch an dieser Stelle unterschiedliche Aspekte und Probleme über Versicherungen im Alltag, über Sachversicherungen oder Versicherungen zur Gesundheit und Arbeit. Heute Teil 21: Reiseversicherungen.

Der Herbst ist Reisezeit, vor allem für Familien mit Schulkindern. Versicherer locken Reisende mit vielfältigen Angeboten: Die meisten sollten Sie übersehen.
Die fünfköpfiger Familie V. freut sich auf ihre Reise in den Herbstferien. Drei Tage vor der Abreise will Hans V. noch die Fenster im Wohnzimmer putzen, steigt auf eine Leiter, stolpert, fällt – und bricht sich Arm und Schulter. Der Herbsturlaub auf der romantischen Insel Rügen ist geplatzt. Gut, dass die Familie rechtzeitig eine Reiserücktrittskostenversicherung abgeschlossen hatte. Diese erstattet nun die hohen Stornogebühren, welche der Reisekonzern für die geplatzte Reise mit Vollpension in Rechnung stellt.

Versicherer sichern – gegen Prämie – noch anderes ab. So können sich Urlauber zusätzlich für den Fall schützen, dass sie plötzlich und überraschend aus dem Hotel am fernen Urlaubsort abreisen müssen. Allerdings wird nicht jede Absage von der Assekuranz einfach und unbürokratisch anerkennt. Ein triftiger Grund muss schon vorliegen. Das kann – wie im geschilderten Fall – ein unglücklicher Unfall im Haushalt sein bis hin zur Unverträglichkeit einer notwendigen Impfung.

Ein Versicherungsvertrag, der bei Nichtantritt oder Abbruch eines Urlaubes einspringt, ist für Reisende vor allem sinnvoll bei längeren und teureren Reisen. Und eine solche Police kann zweckmäßig für Eltern sein. Vor allem kleinere Kinder werden häufiger krank als Erwachsene.

Gepäck absichern lohnt nicht
»Oft geschieht Unverhofftes bereits am ersten Urlaubstag«, warnen Versicherungsexperten: Der Koffer wird gestohlen. Reiseveranstalter haften in solchen Fällen nur bis zum begrenzten Betrag. Das übrige Risiko kann mit einer Reisegepäckversicherung abgesichert werden. Versichert ist allerdings nur der Zeitwert: Dies ist der Betrag, zu dem sie die gestohlenen Sachen durch Sachen gleicher Art ersetzen könnten. Vom Neuwert müssen Sie einen Abzug für Alter, Abnutzung und Gebrauch hinnehmen.

Kritik kommt vom Bund der Versicherten (BdV) bei Hamburg. Von einer Reisegepäckversicherung rate man ab. Probleme gebe es oft im Leistungsfall. Die Gesellschaften reden sich gern auf »Fahrlässigkeit« heraus und weigern sich, zu zahlen. Ebenfalls für übertrieben halten die Verbraucherexperten vom BdV, die selber einige Versicherungspolicen anbieten, eine Soforthilfeversicherung. Diese springt bei einem Unfall vor allem mit Rat ein und vermittelt auch einen Anwalt.

Krankheit im Urlaub kommt teuer
Dagegen gilt eine Reisekrankenversicherung als unerlässlich, jedenfalls bei Auslandsreisen. »Sie ist die einzig wichtige Versicherung, die ins Urlaubsgepäck gehört«, so ein Sprecher des BdV. Krankenkassen erstatten anfallende Krankheitskosten üblicherweise nur in Ländern in der EU oder die mit Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen haben. Erkundigen Sie sich also vor Reiseantritt bei Ihrer Krankenkasse. Jenseits europäischer Grenzen gelten Bundesbürger sogar oft als Privatpatient. Das bedeutet: Sie müssen die Behandlungskosten selbst bezahlen.

Für eine Reisekrankenpolice spricht auch, dass die gesetzliche Krankenversicherung sich häufig weigert, einen Rücktransport in die Heimat zu finanzieren. Außerdem ist diese Versicherung vergleichsweise preiswert. Sie kostet bei Jahresverträgen um die 10 Euro pro Person, für Familien zwischen 15 und 22 Euro.

Die Mallorca-Police
Ironisch sprechen Experten gern von einer »Mallorca-Police«. Sie ist eine Zusatzversicherung für Mietwagen. Für diesen Vertrag müssen sie einen Urlaub selbstverständlich nicht zwingend auf der beliebten spanischen Ferieninsel Mallorca verbringen. Offiziell heißt das Produkt »Versicherung für den Gebrauch fremder, versicherungspflichtiger Fahrzeuge« und ist eine zusätzliche Autohaftpflichtversicherung für Mietwagen.

Da bei einem Unfall mit einem gemieteten Fahrzeug im europäischen Ausland normalerweise nur Mindestversicherungssummen gelten, kann durch eine Mallorca-Police der fehlende Schadenbetrag beglichen werden. Sie bietet meist eine Pauschaldeckung in Höhe von zehn Millionen Euro für Sach- und Personenschäden. Die Kosten betragen etwa 20 Euro für einen Urlaubsmonat. Außerhalb Europas erfüllt eine »Traveller-Police« den selben Zweck.

Es empfiehlt sich, bei der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung vor Urlaubsbeginn nachzufragen, ob eine Mallorca-Police im Versicherungsschutz enthalten ist. Falls Sie eine Kreditkarte besitzen, fragen Sie auch dort nach, ob hierüber eine solche Versicherung besteht. Eine Mallorca-Police kann auch günstig bei einem Automobilclub abgeschlossen werden.

Teures Komplettpaket
In Deutschlands Reisebüros ist es üblich geworden, ein (teures) Komplettpaket anzubieten – vom Reiserücktritt- bis zur Soforthilfeversicherung. Ein solches Komplettpaket preisen selbst Billig-Anbieter im Internet an. Oft ist ein kostspieliges Komplettpaket rund um den Urlaub übertrieben. Schließen Sie darum Reisepolicen nur für diejenigen Fälle ab, die Sie im Notfall finanziell wirklich hart treffen würden.

Eine kostenlose Übersicht bietet der Versicherungsverband GDV mit einer 20-seitigen Broschüre »Reisen ohne Risiko«. Sie kann im Internet herunter geladen (www.klipp-und-klar.de) oder unter der kostenfreien Rufnummer (0800) 33 99 399 bestellt werden.

Teil 22 in der nächsten Woche: überflüssige Versicherungen

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