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Fernbusse als Ergänzung zur Bahn

Linksfraktion und Fachleute werfen dem Verkehrsministerium generelle »Konzeptlosigkeit« vor

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Linksfraktion lud am Montag zu einem Fachgespräch im Bundestag. Titel: »Gewährleistung des öffentlichen Schienenverkehrs statt Liberalisierung von Fernbussen«. Die Regierungspolitik zum Personenfernverkehr stieß dabei auf viel Kritik.

Wer schon einmal in anderen europäischen Ländern feststellen musste, wie günstig der Fernverkehr mit Linienbussen ist, wird vielleicht innerlich gestöhnt haben: Klar, im Auto(industrie)land Deutschland ist so etwas nicht zu haben. Doch die Abwesenheit eines auch nur ansatzweise flächendeckenden Netzes von Fernbus-Linien hat eine andere Ursache, sagt Heinrich Strößenreuther, Ex-Manager bei der Bahn und bei Busunternehmen: In den 1930ern sei ein Gesetz zum Schutz des Geschäfts der Reichsbahn gemacht worden, »weil der deutsche Staat sich Einnahmen sichern musste, um die im Versailler Vertrag vorgesehenen Reparationsleistungen erbringen zu können«.

Inländische Fernbus-Linien sind also genehmigungspflichtig – nur für Linien von und nach Berlin gilt das wegen des früheren Sonderstatus Westberlins bis heute nicht.

Ein uraltes Gesetz mit einer längst überholten Ausnahme – gut also, dass der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien eine Liberalisierung des Busfernverkehrs vorsieht? Verkehrsexperte Strößenreuther bejaht und fügt hinzu: »Die Bahn braucht Druck.« Außerdem sei die bisherige Regelung nicht EU-konform – und nicht zukunftsträchtig: »Die Bahn wird die durch steigende Energiepreise steigende Nachfrage nach Fernmobilität nicht bewältigen können.« Aus ökologischer Perspektive schnitten die Fernbusse sowieso deutlich besser ab – das Argument, mit dem Steigen des Anteils erneuerbarer Energien werde der fast komplett elektrifizierte Schienenfernverkehr seine Öko-Bilanz stetig verbessern, greife erst in Jahrzehnten.

Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, nutzt das Bus-Thema zu einer Abrechnung mit der Bahnreform von 1993. Die sei erstens beim Personenfernverkehr grandios gescheitert und benötige zweitens nach der Verankerung im Grundgesetz immer noch ein Folgegesetz: »Der Bund hat seine dort festgelegete Verantwortung für den Personenfernverkehr noch nicht mit einem entsprechenden Gesetz wahrgenommen«, in dem er etwa den zunehmenden Verbindungsstreichungen vorbaue. Zudem lasse der Gesetzentwurf zur Bus-Liberalisierung kein Gesamtkonzept erkennen, sondern nur ein »Gewurstel«. Im Autoland Deutschland sei Verkehrspolitik eben grundsätzlich am Straßenverkehr orientiert.

Andreas Geißler vom Verband Allianz pro Schiene pflichtet Leidig bei: Im Ministeriumsentwurf fehlten Umwelt-Ziele, etwa die Verkehrsverlagerung vom Pkw weg oder die Verbesserung der Umweltbilanz des Fernverkehrs. Auch Hans-Werner Franz, Leiter des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg, kann beim Ministerium »kein Konzept erkennen« und befürchtet: »Die Qualität im Öffentlichen Verkehr wird sinken.«

Ein Konzept nach Leidigs Geschmack würde zunächst eine angemessene Versorgung mit Bahnverkehr vorsehen und dann fragen, welchen Bedarf es jenseits der Schiene gibt, etwa wegen Kapazitätsgrenzen der Bahnen – »so könnte auch der Busfernverkehr ins öffentliche System integriert werden«. Insofern ist Leidig sich dann doch mit Heidi Tischmann einig. Die Expertin vom Verkehrsclub Deutschland begrüßt die Liberalisierung rundheraus, da Fernbusse eine »sinnvolle Ergänzung zum Schienenverkehr« sein könnten, und da in anderen Ländern ein solcher Schritt auch der Bahn mehr Fahrgäste gebracht habe.

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