Aus Kellern in ein Museum

Kunst in Bulgarien

  • Thomas Frahm, Sofia
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit Kurzem gibt es in Sofia ein Museum für sozialistische Kunst – das erste seiner Art in Osteuropa, das Gemälde, Zeichnungen, Plastiken und Großskulpturen zeigt, die zwischen 1946 und 1989 entstanden. Intellektuelle und Schriftsteller wie Wladimir Sarew beklagen seit Langem, die bulgarische Kultur sei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs »in die Hinterhöfe der Gesellschaft verbannt« worden. Glaubt man Bildhauer Weshdi Raschidow, dem seit 2009 amtierenden bulgarischen Kulturminister, so hat es die bildende Kunst noch schwerer getroffen, denn um sein Museumsprojekt umsetzen zu können, habe er nicht nur Hinterhöfe betreten, sondern auch in feuchte Keller hinabsteigen müssen – um Kunstwerke, die bis 1989 im öffentlichen Auftrag geschaffen worden waren, vor Verschimmeln oder Verschrottung zu retten.

In einem Interview äußerte er: Es sei beschämend, dass ein ganzes Kapitel bulgarischer Kunstgeschichte verleugnet werde, und zwar bevorzugt von Personen, die in sozialistischer Zeit selbst Kunstwerke in Auftrag gegeben hätten, sich nun aber antikommunistisch gebärdeten. Es gehe nicht darum, zu bewerten, ob die sozialistische Epoche gut oder schlecht gewesen sei, sondern darum, sie zu zeigen. »Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, ist ein Volk ohne Augen«.
Der noch amtierende bulgarische Präsident Georgi Parwanow, der in Kürze, nach Ablauf zweier Mandate wohl wieder in die Reihen der bulgarischen sozialistischen Partei zurückkehren wird, reagierte ironisch auf den witzig gemeinten Ausspruch Raschidows, die amtierende Regierung bringe den Sozialismus ins Museum. Parwanow: »Interessant, wie die Regierenden das AKW Kosloduj, den Nationalen Kulturpalast und die Raffinerie Neftochim ins Museum bringen wollen, die in sozialistischer Zeit aufgebaut worden sind und bis heute erfolgreich genutzt werden.«
Glaubt man den Regierungsplänen, so werden dem Museum für sozialistische Kunst ein Museum für zeitgenössische Kunst, die Restauration des Zarenschlosses (mit Wiederherstellung der Originaleinrichtung aus der zaristischen Periode Bulgariens 1908 bis 1946), ein »bulgarischer Louvre« und der Umzug des bedeutenden Nationalhistorischen Museums, in dem sich der thrakische Goldschatz von Panagjurishte befindet, folgen. Das jetzt eröffnete Museum für sozialistische Kunst zeigt in einer 550 Quadratmeter großen Ausstellungshalle 60 Gemälde und 25 Plastiken, und im Park auf 7500 Quadratmetern 77 Großskulpturen von Leitfiguren des bulgarischen und internationalen Sozialismus – von Lenin bis Dimitroff. Das Museum befindet sich in einem Gebäudekomplex im Stadtteil Isgrew, das einst Kunstschule war und bis heute dem Kulturministerium gehört. Untergebracht werden darin nicht nur Mitarbeiter der Nationalen Kunstgalerie (der das Museum für sozialistische Kunst unterstellt ist), sondern u.a. auch die Denkmalschutzbehörde und eine UNESCO-Niederlassung, die die bulgarischen Objekte des Weltkulturerbes verwaltet.
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