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Maschinenhaft effektiv

Schalke siegt 2:1 beim Hamburger SV

  • Erik Eggers, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Pfiffe aus dem Publikum, berichtete Huub Stevens später, habe er nicht wahrgenommen. Dafür sorge schon die Konzentration. Nach dem 2:1 (1:1)-Auswärtssieg des FC Schalke 04 beim Hamburger SV tat der neue Trainer der Königsblauen überhaupt alles, um nur nicht weiteres Öl ins hanseatische Feuer zu gießen. Er habe dem HSV-Sportchef Frank Arnesen vor dem Anpfiff die Hand gegeben, ließ Stevens lächelnd wissen, überhaupt sei seine Kommunikation mit dem HSV »sehr professionell« verlaufen. Und selbstverständlich glaubt der Niederländer, dass es beim HSV bald wieder bergauf geht. »Wenn die Mannschaft so spielt wie heute, wird sie bald keine Probleme mehr haben.«

Der Trainer, der vor zehn Tagen schon als neuer HSV-Coach vermeldet worden war und doch in Gelsenkirchen anheuerte, hatte also gut reden nach dem »klassischen Arbeitssieg« (Christoph Metzelder), der Schalke auf den vierten Tabellenplatz hievte. Zwei Geniestreiche von Jan-Klaas Huntelaar hatten letztlich die lebhafte Partie entschieden: Zunächst hatte der holländische Mittelstürmer eine weite Flanke Marco Högers mit einem Kopfball wie aus dem Lehrbuch in die lange Ecke veredelt (14.), und auch sein zweites Tor atmete Weltklasse, als er eine scharfe Flanke von Christian Fuchs mit der Ferse verlängerte (73.).

Der HSV, der auf dem letzten Tabellenplatz verharrt, zeigte am Sonntagabend zwar gute Ansätze, verfügt aber nicht über diese maschinenhafte Effektivität im Sturm: Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Mladen Petric (38.) wurde begünstigt durch einen Torwartfehler. Und der HSV sucht auch weiterhin einen Nachfolger für den geschassten Coach Michael Oenning. Denn nach dem Spiel stellte der Vorstand klar, dass der Interimscoach Rudolfo Cardoso eine kurze Episode bleibt, da der argentinische Ex-Profi die erforderlichen Trainerpapiere nicht besitzt. Gegenüber dem TV-Sender »Sky« sagte Arnesen: »Beim nächsten Spiel in Freiburg wird ein Trainer mit Lizenz auf der Bank sitzen!« Man habe nicht bis Weihnachten Zeit, einen neuen Trainer zu suchen, so der Däne.

Wohin die Kugel im Trainerroulette fällt, scheint weiter völlig offen. Am Wochenende berichtete Arnesen, bereits mit großen Namen der Branche verhandelt zu haben. »Ich habe mit Olsen gesprochen, mit Moniz gesprochen, mit Van Basten, mit Van Gaal«, wurde Arnesen beim Internetportal goal.com zitiert. »Ich hab von Anfang an gesagt, dass ich mit diesem Thema nicht in die Öffentlichkeit gehe, weil es nicht korrekt ist, speziell gegenüber den Kandidaten.«

Die Frage ist, welcher arrivierte Coach sich diesen Job antun will, der wie ein Himmelfahrtskommando anmutet. Schließlich wirkt der HSV aktuell wie eine marode, heruntergewirtschaftete Firma ohne Geschäftsidee, dazu mit teils unerfahrenem und naivem Personal ausgestattet, wie etwa die Zweikämpfe des Innenverteidigers Jeffrey Bruma am Sonntag belegten. Gökhan Töre wurde wegen seiner raketenartigen Sprints zwar gefeiert, sah dann aber tatenlos zu, als die entscheidenden Flanken auf Huntelaar geschlagen wurden. Um neue Profis zu holen, fehlt das Geld im Volkspark. Hinzu kommt ein Aufsichtsrat, über den die gesamte Liga spottet.

Immerhin drangen aus diesem Gremium zuletzt keine Nachrichten mehr nach draußen, auch nicht in der essenziellen Trainerfrage. Aufgrund der ungewohnten Diskretion wucherten in den letzten Wochen die Spekulationen: Neben den von Arnesen genannten Trainern wurden auch Dieter Hecking, Horst Hrubesch, Thomas von Heesen und Michael Laudrup von den lokalen Zeitungen als vermeintliche Favoriten präsentiert. Am Sonntag schließlich brachte sich noch Sergej Barbarez (»Ich will dem HSV helfen«) selbst ins Spiel. Kaum ein Trainer, der noch nicht genannt wurde.

In Wirklichkeit weiß kaum jemand, welche Faktoren bei Arnesen die zentrale Rolle spielen, ob Erfahrung mit jungen Spielern oder im Abstiegskampf, ob HSV-Affinität, Gehalt oder die Spielphilosophie. Womöglich sucht er einen Coach, der auch den Weg eines schmerzenden Aufbaus aus der zweiten Liga nicht scheut. Dass der 55-jährige Däne sich nun für die Trainerfindung etwas Zeit nimmt, ist indes erklärlich. Schließlich ist die Besetzung des Trainerpostens die erste wichtige Entscheidung, an der er in Zukunft oft gemessen werden wird.
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