Datenlücke Stromnetz

Studie aus Münster belegt Möglichkeiten der Netzbetreiber zur Überwachung

  • Hanno Böck
  • Lesedauer: 3 Min.
Forscher der Fachhochschule Münster konnten in einem Versuch anhand der Stromverbrauchsdaten nachvollziehen, welches Fernsehprogramm die Zuschauer sahen.

Dass intelligente Stromnetze - sogenannte Smartgrids - ein Datenschutzproblem darstellen können, war schon vorher bekannt, doch dass die Möglichkeiten der Überwachung so weit gehen, damit hatte wohl niemand gerechnet. Eine Abhilfe wäre möglich, erfordert aber die Kooperation der Stromanbieter.

Intelligente Stromnetze sollen dazu beitragen, beim Ausbau der erneuerbaren Energien den Stromverbrauch an die Stromerzeugung anzupassen. Ein Kernelement dieser sogenannten Smart Grids sind intelligente Stromzähler: Der Verbrauch wird sekundengenau erfasst, was hilfreich ist, um eine zeitabhängige Tarifstruktur anbieten zu können. Strom aus Windkraftwerken könnte beispielsweise günstiger angeboten werden - bläst viel Wind, wird Wäschewaschen billiger. Der Verbraucher könnte sich darauf einstellen und so durch sein Nutzerverhalten Netzprobleme ausgleichen.

Schon bisher war klar, dass diese Daten auch missbraucht werden können: Große Stromverbraucher wie Wasserheizungen, Kühlschränke oder Waschmaschinen haben ein sehr spezifisches Stromverbrauchsprofil, anhand der Verbrauchskurven lässt sich ablesen, welches elektrische Gerät gerade im Einsatz ist.

Die Bundesregierung hat daher das Forschungsprojekt DaPriM (Data Privacy Management) ins Leben gerufen, welches Datenschutzaspekte der intelligenten Stromnetze untersuchen soll. Die an DaPriM beteiligten Wissenschaftler der Fachhochschule Münster konnten in einem Experiment unter anderem die Aktivität von Kühlschränken, Wasserkochern, Toastern, Kaffeemaschinen, Kochherden oder Fernsehern nachvollziehen - doch sie gingen noch weiter. Besonders helle oder besonders dunkle Stellen im laufenden Fernsehprogramm lassen Rückschlüsse zu, die exakt genug sind, um nachzuvollziehen, welcher Sender gerade läuft, berichtet heise online.

»So wäre beispielsweise eine (rechtlich als missbräuchlich anzusehende) Nutzung der Stromverbrauchsdaten zum Auffinden von Konsumenten urheberrechtlich geschützten Materials denkbar«, schreiben die Autoren in ihrer Studie. Es könne nachträglich festgestellt werden, welche Haushalte beispielsweise einen Film abgespielt haben, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf DVD erschienen war - ein Verstoß gegen das Urheberrecht, der die Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen kann.

In dem Versuch kam ein Gerät der Firma EasyMeter zum Einsatz, welches RWE seinen Kunden bereits teilweise anbietet. Dieses zeichnet den Stromverbrauch im Zwei-Sekunden-Takt auf. Der Stromzähler übertrug entgegen den Angaben des Herstellers die Daten unverschlüsselt über das Internet. Das bedeutet also, dass auch Mitarbeiter des entsprechenden Internetanbieters die Möglichkeit hätten, die Daten illegal abzugreifen. »Diese Tatsache wiegt umso schwerer, da vertraglich zugesichert wird, dass die Übertragung verschlüsselt erfolgt«, heißt es dazu in der Studie.

Als Abhilfe schlagen die Autoren vor, auf längere Zeitintervalle zu setzen, etwa auf Viertelstunden-Takte. Damit wären deutlich weniger Rückschlüsse auf den Verbrauch möglich. Weiterhin fordern sie, dass Daten verschlüsselt und signiert übertragen werden, sowie dass für die Daten bei den Stromkonzernen kurze Löschfristen vorgesehen sein müssten. Allerdings: Gegen eine missbräuchliche, also illegale Nutzung der Daten, hilft das auch nicht.

Die Studie »Smart Meter und Datenschutz« kann im Internet unter www.daprim.de heruntergeladen werden.

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