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Übernahme und Altersteilzeit

Die Tarifrunde Stahlindustrie beginnt / IG Metall einigt sich erst heute auf Lohnforderung

  • Lesedauer: 3 Min.
Am Freitag beginnen die Verhandlungen für rund 75 000 Beschäftigte in 100 Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. OLIVER BURKHARD ist Verhandlungsführer für die IG Metall. Mit ihm sprach JÖRG MEYER.

ND: Heute tagt die Tarifkommission, um sich auf eine Lohnforderung für die Stahlindustrie zu verständigen. Das ist reichlich spät, oder?
BURKHARD: Wir haben uns angesichts des Chaospotenzials an den Finanzmärkten und der hoffentlich nicht kommenden, aber durchaus zu befürchtenden Auswirkung auf die Realwirtschaft so spät wie möglich einen Termin gesetzt, um die Forderungen festzulegen. Wir wollen so viel wie es geht an Erkenntnissen mitnehmen, bevor wir auf die Arbeitgeber treffen.

Es laufen mehrere Tarifverträge aus. Was sind zentrale Forderungen - außer nach Lohn und Gehalt?
Wir haben qualitative und quantitative Forderungen. Das Thema Übernahme der Ausgebildeten ist uns dieses Mal besonders wichtig. Das gilt für alle Tarifbereiche der IG Metall. In der letzten Tarifrunde haben wir die zweijährige Übernahme durchgesetzt. Jetzt wollen wir die unbefristete Übernahme - als erstes im Stahl. Junge Menschen brauchen Sicherheit und Perspektive. Das zweite Thema ist der faire Altersausstieg. Bei der Altersteilzeit haben wir aktuell eine Quote von vier Prozent. Da gibt es bisher schon einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit. Diese Quote wollen wir erhöhen. Die Stahlbranche hat aktuell ein zweieinhalb Jahre höheres Durchschnittsalter als die Metallindustrie aber eine niedrigere Altersteilzeitquote. Wir werden die Altersteilzeit in der Stahlindustrie auch künftig brauchen, um mit dem demografischen Wandel klarzukommen. Deshalb wollen wir das jetzt geregelt haben.

Was ist das »Chaospotenzial« im Stahl? Wie ernst ist die Lage?
Wir sind immer noch auf einem Niveau, das allemal rechtfertigt, die Arbeitnehmer über den Inflationsausgleich hinaus fair zu beteiligen. Wir haben die Krise schließlich nicht verursacht. Die Beschäftigten haben ordentlich gearbeitet. Man muss allerdings sehen: Die Stahlindustrie ist ein »Frühzykliker«, hier bekommt man die Trends wirtschaftlicher Entwicklung zuerst zu spüren. Die Produktion wurde in einigen Bereichen bereits gedrosselt. Vor zwei, drei Monaten war die Situation noch etwas besser. Viele Kunden der Stahlindustrie scheuen sich, jetzt große Bestellungen aufzunehmen, da zum 31. Dezember, in der Regel am Ende ihres Geschäftsjahres, Abwertungen zu befürchten sind. Einzelne Rohstoffpreise schwanken extrem - innerhalb von kurzen Zeiten bis zu 30, 40 Prozent. Und wenn sie heute Produkte zur Weiterverarbeitung kaufen, und die stehen am Jahresende immer noch auf ihrem Hof, haben sie in den Bilanzen ein Problem. Darum gibt es derzeit ein zögerliches Investitionsverhalten. Das merken wir auch. Trotzdem: 2011 wird die Stahlindustrie im Jahresschnitt gut ausgelastet sein. Und die Produktionserwartungen für 2012 sind auch moderat positiv.

Und die Laufzeiten eines neuen Stahltarifvertrages? Am letzten Abschluss für Metall & Elektro gab es Kritik wegen der 24-monatigen Laufzeit. Als der Aufschwung da war, gab es keine Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten haben nichts davon gehabt.
Das stimmt so nicht. Wir haben den Tarifvertrag gemacht, und ich halte ihn mit den Erkenntnissen des Frühjahrs 2010 nicht für zu lang. Damals war nicht absehbar, dass wir so schnell wieder aus der Krise kommen - auch Dank unseres Tarifvertrags. Wir haben uns damals auf das Thema Beschäftigungssicherung konzentriert. Das war Priorität für unsere Mitglieder. Und dafür werden wir von allen Seiten gelobt. Zudem haben wir mit den 2,7 Prozent Einkommensplus zumindest für das Jahr den Reallohnausgleich geschafft.

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