Streit um Philippsburg

Greenpeace: Atommüll soll nach Baden-Württemberg

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Atommüll nach Baden-Württemberg? Das Zwischenlager am AKW Philippsburg ist angeblich sicherer als Gorleben.
Das Gelände des AKW Philippsburg soll verstärkt als Zwischenlager genutzt werden, fordert Greenpeace.
Das Gelände des AKW Philippsburg soll verstärkt als Zwischenlager genutzt werden, fordert Greenpeace.

Kurz vor dem nächsten Transport von Atommüll nach Gorleben fordert Greenpeace, dass Atommüll künftig in Baden-Württemberg gelagert wird. Das Zwischenlager am Atomkraftwerk Philippsburg sei sicherer als Gorleben, argumentiert die Umweltorganisation und wirft den Grünen in der baden-württembergischen Landesregierung Wortbruch vor. Vor der Wahl, im November 2010, hätte die Grünen-Landtagsfraktion noch erklärt, es wäre mehr als angemessen, wenn Atommüll aus Baden-Württemberg an den Erzeugerstandorten gelagert würde, sagte Tobias Münchmeyer von Greenpeace am Mittwoch in Stuttgart. Nun, da die Grünen an der Regierung seien, wollten sie davon nichts mehr wissen.

In einer Studie hat Greenpeace die Lager im niedersächsischen Gorleben sowie das Zwischenlager am AKW Philippsburg untersucht. Sollte ein großes Passagierflugzeug auf ein Zwischenlager stürzen, könnten sich die zigtausend Liter Kerosin des Fliegers aufstauen und unter Umständen stundenlang brennen, erklärte die Diplom-Physikerin Oda Becker. Solange aber hielten die Behälter mit dem hoch radioaktiven Müll nicht dicht. Laut TÜV würden Abflussöffnungen für Kerosin im Fußboden der Lagerhalle die Gefahr eines langen, sehr heißen Feuers verringern. Becker: »Solche Öffnungen gibt es in Philippsburg, aber nicht in Gorleben.« Zudem sei Philippsburg im Gegensatz zu Gorleben ans Schienennetz angeschlossen. »Damit müssen die Castoren nicht vom Zug auf Lastwagen umgeladen werden«, erklärt Becker. Auch dies sei ein Pluspunkt für die Sicherheit. Und der Transport aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague nach Philippsburg ist um 550 Kilometer kürzer.

In Philippsburg sei zudem Platz. Auf 150 Behälter sei die Halle ausgelegt, für die hauseigenen Brennstäbe würden etwa 100 benötigt. Der für November angekündigte Transport aus La Hague soll elf Castoren umfassen. Aus dem britischen Sellafield ist bis 2014 die Rückführung von 21 Behältern geplant. Wenn in Philippsburg hoch radioaktiver Atommüll gelagert werde, würde Baden-Württemberg dazu beitragen, das Verursacherprinzip zumindest teilweise einzuführen, erklärte Münchmeyer. »In Gorleben lagern 102 Behälter, etwa 20 Prozent kommen aus dem Südwesten.«

Um den aufgearbeiteten Atommüll im AKW Philippsburg zu lagern, müsste dessen Betreiber, die EnBW, eine Erweiterungsgenehmigung beantragen. Da das Land Baden-Württemberg mit 45 Prozent an der EnBW beteiligt ist, »erwarten wir, dass die Landesregierung ihren Einfluss geltend macht, damit der Konzern die Genehmigung beantragt«, unterstreicht Münchmeyer. Allerdings dauert die Prüfung eines Erweiterungsantrages etwa zwei Jahre. Selbst wenn die EnBW den Antrag schnell stellen würde, würde das nicht mehr für die anstehenden elf Castoren reichen. Münchmeyer gibt zu Bedenken: »Man könnte den Transport ja verschieben.«

Das AKW Philippsburg stand gestern auch im Fokus der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die zeigte sich entsetzt, weil ihre Anzeige wegen Verletzung zentraler Sicherheitsgrundsätze von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht verfolgt wird. Die DUH hatte im April Strafanzeige gestellt, da laut ihren Informationen in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 2009 das AKW Philippsburg 2 nur unzureichend abgesichert gelaufen ist. Wenn diese Verletzung zentraler Sicherheitsgrundsätze ungeahndet bleibe, drohe eine schleichende Aushöhlung der Reaktorsicherheit in Deutschland, warnte die DUH.

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