Radikale Rechte »ballt die Faust«

Polen: Nachhall der Warschauer Ausschreitungen am 11. November

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Auch in der Sejmdebatte zur Eröffnung der neuen Legislaturperiode am vergangenen Wochenende klangen die Ausschreitungen nach, die Warschau am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, erlebte.

Die meisten Redner, die sich in dieser Sache zur Regierungserklärung von Premier Donald Tusk äußerten, verurteilten - politisch korrekt - sowohl die Ausschreitungen der »radikalen Rechten« als auch das Vorgehen der »bunten Alternative«, die sich dem Aufmarsch von Nationalisten und Faschisten in den Weg gestellt hatte. In der Einschätzung der »patriotischen Gesinnung« der einen wie der anderen gab es freilich unterschiedliche Akzente. Einig war man sich jedoch: Vorschriften zur Verschärfung des Demonstrationsrechts seien überfällig.

In der Wochenschrift »Przeglad« kritisierte Piotr Zuk auch die Stellungnahmen des Bundes der Demokratischen Linken (SLD): »Indem er sich als Verteidiger der Ordnung gleichermaßen von den nationalistischen Banditen wie von den Antifaschisten distanzierte, bestätigte er, dass der SLD der Propaganda aus dem rechten Lager erlegen ist, einer Propaganda, die in Polen seit Jahren - entgegen jeder Logik - den Nazismus mit dem Kommunismus gleichsetzt.«

Derweil ruft die radikale Rechte dazu auf, die eigenen Reihen zu schließen. Artur Zawisza, Chef der Vereinigung ehemaliger NSZ-Soldaten, erklärte in einem Gespräch mit der »Gazeta Wyborcza«, man wolle alle Kräfte - von der Allpolnischen Jugend über das National-Radikale Lager (ONR) und die »Falanga« bis hin zu den Monarchisten und der Bewegung Nationale Wiedergeburt Polens (NOK) - zu einer »starken Faust« zusammenballen. Zawiszas NSZ (Nationale Streitkräfte) war im Zweiten Weltkrieg eine rechte Untergrundorganisation. Teile davon kollaborierten gegen Ende des Krieges mit Gestapo und SS. Die Nationale Wiedergeburt (NOK) wiederum, die vor zwei Wochen in Wroclaw gemeinsam mit Rassisten und Antisemiten aus Italien, Belgien, England, Schweden und den USA ihr Jubiläum feierte, sieht die Zusammenarbeit der internationalen faschistischen Phalanx als »Selbstverständlichkeit« an.

Wer sich einer solchen Gefahr entgegenstellt, sieht sich als »Neobolschwist« beschimpft. In der rechten Wochenschrift »Uważam Rze« etwa werden die Aktivitäten demokratischer Kräfte in den Hochschulen, im Kulturbereich und in der außerparlamentarischen Szene als Versuch verunglimpft, Polen einem neobolschewistischen Zwang auszusetzen. Im öffentlichen Leben finde eine »Dressur des Bewusstseins« statt. Aber man werde das »patriotische Lager« nicht klein kriegen. Die Gefahr wird also nicht geringer.

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