»Säuberung« für die EM?

Edmund Haferbeck über Hundetötungen in der Ukraine / Der promovierte Agrarwissenschaftler ist Berater der internationalen Tierrechtsorganisation PETA

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: »Säuberung« für die EM?

ND: Aktuelle Meldungen über die Vorbereitung der Fußball-Europameisterschaft 2012 künden nicht gerade von einem friedlichen Wettstreit. In der Ukraine, die neben Polen Austragungsort ist, werden Zehntausende auf der Straße lebende Hunde getötet. Stellen die Tiere eine Gefahr dar?
Haferbeck: Überhaupt nicht. Bei einem Besuch in der Ukraine beklagte sich UEFA-Präsident Michel Platini über die vielen Straßenhunde. Deshalb wollen die Behörden die Spielorte, vor allem die Hauptstadt Kiew, für das Event »säubern«.

Wie sieht die »Säuberung« aus?
Allein in Kiew wurden bislang 20 000 Hunde getötet. In der Regel werden sie gefangen und bekommen »Ditilin« gespritzt, ein Mittel, das Atemwege und Muskeln lähmt. Es führt zu einem langen Todeskampf bei vollem Bewusstsein. Viele werden lebend in mobilen Tierkrematorien verbrannt.

Worauf stützen sich diese Gräuelnachrichten?
Ermittler der Organisation PETA waren gerade zehn Tage in der Ukraine, wo sie sich ein Bild von den Zuständen machen konnten. Am Kiewer Olympiastadion fand anlässlich des Freundschaftsspiels Ukraine gegen Deutschland eine Demonstration für die Tiere statt. Inzwischen sind die Hundetötungen zu einem internationalen Medienthema geworden.

Die Regierung in Kiew hat angekündigt, die Tötungen zu stoppen. Die Bürgermeister seien angewiesen, Tierheime zu bauen.
Da die Behörden bislang an der Kooperation mit internationalen Tierschutzorganisationen kaum Interesse zeigen, geht es offenbar nur um Beschwichtigung der Öffentlichkeit. Zumal Tierheime in der Ukraine Verwahrstätten sind, in denen die aufgelesenen oder gefangenen Kreaturen gesammelt und schließlich getötet werden.

Die UEFA begrüßt die Ankündigung und »freut sich auf die erfolgreiche Umsetzung«, wie es auf der offiziellen Website heißt.
Die europäische Fußballvereinigung äußert sich überhaupt erstmals auf ihrer Website zur Situation der Straßenhunde in der Ukraine. Dabei wäre eine unmissverständliche Stellungnahme längst dringend nötig gewesen. Zu befürchten ist, dass das Problem für die UEFA mit der Ankündigung aus Kiew erledigt ist. Die EM ist ein tolles Ereignis, aber Tierquälerei darf nicht als Kollateralschaden betrachtet werden.

Gibt es in der Ukraine Widerstand gegen das Töten?
Er ist im Entstehen. Getragen wird er fast ausschließlich von Frauen.

Was ist denn die Alternative zu den derzeitigen Zuständen?
Bewährt hat sich, so in der Türkei, die Methode »Neuter and Release«. Dabei werden die Streuner eingefangen, kastriert und wieder freigelassen, das muss nicht unbedingt in der Stadt sein. Und sie werden weiterhin betreut. Trotz Angebots der Kostenübernahme durch deutsche Organisationen lehnt die Ukraine das ab.

Ein derartiges Programm braucht einen langen Atem.
Natürlich. Aber wir sind zu einem solchen Engagement bereit. Es geht nicht nur um eine »saubere« EM, sondern um eine langfristige Lösung für die heimatlosen Tiere.

Interview: Ingolf Bossenz

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