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Das ungleiche Paar

Nicole Nottelmann erzählt von Greta Garbo und Salka Viertel

  • Klaus Bellin
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf einer Party in Beverly Hills sahen sie sich im Frühjahr 1930 zum ersten Mal: Greta Garbo, die 24-jährige schöne, umschwärmte Diva aus Schweden, und Salka Viertel, beinahe 41 Jahre alt, Schauspielerin und Filmautorin, geboren in einem österreichisch-ungarischen Garnisonsstädtchen, groß geworden in behüteten Verhältnissen mit Dienstmädchen, Hauslehrern und Chauffeur, verheiratet mit dem Schriftsteller und Regisseur Berthold Viertel, seit 1928 an der Westküste der USA zu Hause.

Die beiden Frauen kamen ins Gespräch, nach einer Weile zogen sie sich auf die Terrasse zurück, wo sie ungestörter waren, sie redeten und redeten, und als dieser Abend zu Ende war, gingen sie als Freundinnen auseinander. Und blieben es bis zum Tod Salka Viertels 1978.

Nicole Nottelmann, mit den in Frage kommenden Memoirenbänden und Briefausgaben bestens vertraut, hat jetzt ein Buch über diese Beziehung geschrieben, die immer Gegenstand von Legenden und Spekulationen war, weil alle Welt sich fragte, wie viel Erotik oder Sexualität da wohl im Spiel war.

Salka Viertel, die im Alter in ihrem Bericht »Das unbelehrbare Herz« (der gerade noch einmal in der Anderen Bibliothek des Eichborn-Verlages erschien) ihr Leben unter Künstlern beschrieb, hat sich gehütet, auf diese Frage einzugehen. Kein Wort über die private Garbo, die selber peinlich darauf geachtet hat, dass die Öffentlichkeit keinen Zutritt zu ihrem Leben jenseits der Ateliers erhält, aber auch über den eigenen Anteil, den sie an den Filmen der Freundin hatte, hat sie sich eher zurückhaltend geäußert.

Zu den Folgen dieser Diskretion gehört, dass man neben der strahlenden, zum Mythos verklärten Garbo Salka Viertel kaum zur Kenntnis nahm. Für ihren Nachlass, aufbewahrt im Marbacher Archiv, hat sich bis vor ein paar Jahren niemand interessiert.

Die Stummfilmdiva, die sich dann auch im Tonfilm beweisen musste, war der weibliche Star Hollywoods, aber das einzig Wunderbare an Hollywood war, schrieb sie, dass es Salka dort gab. Es war keine Schmeichelei. Ohne die Freundin hätte sie sich dort wohl kaum so lange behaupten können.

Salka Viertel, die weder als Mitarbeiterin noch als Beraterin der Garbo gelten wollte, war die Frau, die sie forderte und förderte, und bald schon der einzige Mensch, der wusste, was gut und wichtig für sie war, der im Hintergrund Weichen stellte und dafür sorgte, dass sie die richtigen Rollen in großen Produktionen bekam und an diesen Rollen reifen konnte, die den Ehrgeiz der Garbo weckte, für sie dachte, an den Drehbüchern mitarbeitete und auch urteilte.

Natürlich ist es keine krisenlose Beziehung gewesen. Nicole Nottelmann beschreibt die Zeiten, da beide mit einer Stimme sprachen und wie eine Person wirkten, genauso eingehend wie die Phasen, da sie sich voneinander entfernten, sich sogar aus dem Weg gingen. Salka Viertel, schließlich nicht mehr willens, nur an die Karriere der Schauspielerin zu denken, verlegte sich, ein Kommunikationsgenie, mehr und mehr auf ein Dasein als begnadete Hausherrin und weithin gerühmte Gastgeberin. Ihre Musik- und Gesprächsabende waren in Hollywood Ereignisse. Sie versammelten alles, was Rang und Namen hatte: von Chaplin und Aldous Huxley bis zu den Emigranten Thomas Mann, Feuchtwanger, Döblin, Brecht oder Hanns Eisler, die in der Nähe Zuflucht gefunden hatten. Die Feier, die Salka Viertel für den siebzigjährigen Heinrich Mann gab, hat in manchem Brief, mancher Tagebuchnotiz ihr rühmendes Echo gefunden.

Zuletzt sieht man in Nicole Nottelmanns zügig, mit Liebe zum Detail erzähltem Buch das ungleiche Paar in extrem unterschiedlicher Lage: Greta Garbo, die sich zur Ruhe gesetzt hat und nach 1945, um nicht mehr die Garbo zu sein, unter wechselnden Namen aufkreuzte, in einem teuren, piekfeinen New Yorker Appartement und Salka Viertel, in den USA als Kommunistin verdächtigt, nun im schweizerischen Kloster, mittellos und verschuldet, beschäftigt mit den Widrigkeiten des Alltags und, wie stets, in der Sorge um andere.

Sie lebte, das bittere Schicksal ihrer Mutter vor Augen, in der Angst, im Alter so schwach und hilflos zu werden wie sie, als Greta Garbo kam und half, die Sorgen zu vertreiben. Und nun, zwischen 1960 und 1967, schrieb sie auch ihr einziges Buch, den wunderbaren Bericht ihres Lebens.

Nicole Nottelmann: Ich liebe Dich. Für immer. Greta Garbo und Salka Viertel, Aufbau Verlag. 283 S., geb., 22,99 €

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