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Die Gegenmacht

Der Kapitalismus und die Krisen

  • Klaus Müller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Welt leidet an Überfluss. Automatisierung und Rationalisierung verdrängen den Menschen aus Fabrik und Büro. Immer weniger Menschen werden benötigt, um zu erzeugen, was alle brauchen. Unternehmen vernichten Produkte, damit die Preise hoch bleiben. Inmitten der Überschüsse darben Menschen. Riesig ist der Reichtum der wenigen, bitter die Not der vielen. Banken verspielen Milliarden. Steuergelder retten sie vor dem Untergang. Staaten sind verschuldet und stehen vor dem Bankrott. Menschen sterben täglich im Kampf um Macht, Märkte und Ressourcen. Meere verschmutzt, Luft und Wasser verunreinigt, Nahrungsmittel vergiftet, Böden voller Schadstoffe, Klima vor dem Kollaps. Die Hoffnung sinkt, dass der Kapitalismus seine Probleme lösen kann.

Wissenschaftler der Leibniz-Sozietät und der Rosa-Luxemburg-Stiftung fragten sich, wie man diese Zustände überwinden kann. Das Resultat ist ein Buch, in dem der Bogen weit gespannt ist: von Bewahrenswertem und Mängeln Marxscher Kapitalismuskritik (Wolfgang Küttler) über die Rolle der Produktivkräfte (Wolfgang Eichhorn) und des Staates (Lutz Brangsch, Ulrich Busch) bis hin zu Szenarien, die der Krise folgen könnten (Christa Luft, Gerhard Banse, Klaus Steinitz, Judith Dellheim). Es erinnert an historische Erfahrungen (Jörg Roesler), sucht nach Denkanstößen bei Veblen, dem »amerikanischen Marx« (Günter Krause) und begründet, weshalb in Deutschland trotz Krise der Mainstream-Ökonomik eine Revolution im akademischen ökonomischen Denken ausbleiben wird (Arne Heise). Die Autoren diskutieren sachlich und anregend. Sie bekennen, selbst Suchende zu sein.

Einig sind sie sich darin, dass Alternativen notwendig sind angesichts der destruktiven Kräfte und Wirkungen. Dabei halten sie zwei Axiome orthodoxer marxistischer Gesellschaftslehre für überholt, ohne den Glauben aufzugeben an einen Sozialismus, der diesen Namen verdient. Weder sprengten die Produktivkräfte die Fesseln kapitalistischer Produktionsverhältnisse noch erkannte das Industrieproletariat die ihm zugewiesene historische Mission, den Kapitalismus durch eine bessere Ordnung zu ersetzen.

Der Leser findet hier Überlegungen zu einem Kapitalismus »mit menschlichem Antlitz« wie Gedanken über einen radikalen Gegenentwurf, der die bestehenden Macht-, Eigentums- und Verteilungsverhältnisse verändert. Am wahrscheinlichsten halten es die Autoren, dass der Kapitalismus sein evolutionäres Anpassungspotenzial auch künftig zu nutzen weiß. Manches spricht dafür, dass dies auf progressive Weise geschehen wird. Die Rede ist von Mixed economies und dritten Wegen. Jedoch sind auch reaktionäre Entwicklungen möglich.

Die Skepsis hinsichtlich Chancen eines großen Wandels hin zu einer nichtkapitalistischen Gesellschaft sind begründet. Doch Transformation bedarf einer Vision. Diese ist für die Autoren eine Solidargesellschaft: sozial gerecht, friedlich, demokratisch-emanzipativ und ökologisch-nachhaltig, eine neue Produktions- und Lebensweise. Wie kommt man zu ihr? »Unser Wissen, was nicht geht, ist umfassender und aus konkreten Erfahrungen besser begründet als unser Wissen darüber, wie die großen Probleme und Widersprüche der gegenwärtigen Welt zu lösen sind«, schreibt Klaus Steinitz. Klar ist: Man muss beginnen, die Bedrohungen ernst zu nehmen und eine kritische Gegenmacht gegen die Herrschenden zu organisieren.

Günter Krause (Hg.): Kapitalismus und Krisen heute. Herausforderung für Transformationen. Trafo, Berlin. 214 S., br., 29,80 €

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