»Hier wird bald das Brot knapp«

Am Beispiel Äthiopiens zeigt sich, dass die Afrikaner schon jetzt unter dem Klimawandel leiden

  • Fabian Lambeck, Addis Abeba
  • Lesedauer: 4 Min.
Äthiopien steht in diesem Jahr vor einem ganz neuem Problem: Die Regenzeit will nicht enden. Vielerorts gerät so die Ernte in Gefahr.
Nicht ungewöhnlich: Auch Kinder helfen bei der Ernte.
Nicht ungewöhnlich: Auch Kinder helfen bei der Ernte.

Erstaunt blickt die Studentin Hiwett in den Himmel. Dicke Regenwolken ziehen über ihre Heimatstadt - und das Ende November! Normalerweise endet die Regenzeit im nordäthiopischen Aksum spätestens im September, oftmals schon früher. »Doch in diesem Jahr spielt das Wetter verrückt«, meint Hiwett. Die Lage ist ernst. Denn wer meint, dass sich die Bauern über diesen Extraregen freuen, der irrt. »Bei uns ist im November Erntezeit«, erklärt Hiwett. Wenn es aber regnet, können die Bauern ihr Getreide nicht ernten. Der Weizen ist längst reif. Jeder Tag Verzögerung zieht schmerzhafte Ernteverluste nach sich. Die Lage ist so prekär, dass die Universität von Aksum Hiwett und ihren Kommilitonen mehrere Tage frei gegeben hat. »Wir müssen unseren Eltern bei der Ernte helfen. »Im Augenblick ist es noch halbwegs trocken. Der Wetterbericht hat für die kommenden Tage aber weiteren Regen vorausgesagt«, so die junge Frau. Jetzt wird jede Hand gebraucht.

Die meisten Studenten in Aksum kommen aus Bauernfamilien. Nichts Ungewöhnliches in einem Land, in dem mehr als vier Fünftel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind. Beinahe die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes wird in diesem Sektor erwirtschaftet. So hat jede Missernte katastrophale Folgen. Selbst in guten Zeiten ist jeder achte Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Die Größe der Parzellen schrumpft aufgrund des enormen Bevölkerungswachstums. Viele Bauern sind froh, wenn die Erträge den eigenen Bedarf decken. Der Klimawandel bedroht das fragile Subsistenzmodell.

Rückständigkeit verschärft die Krise

Normalerweise gibt es im Land zwei Regenzeiten: Eine kleine zwischen Februar und März und eine große, die üblicherweise von Juni bis September geht. Danach folgt eigentlich eine längere Trockenperiode. Doch in diesem Jahr will die Regenzeit kein Ende finden. Im Südosten des Landes sorgten ungewöhnlich heftige Niederschläge für neue Probleme, nachdem es dort fast drei Jahre überhaupt nicht geregnet hatte. So vernichteten Springfluten in der äthiopischen Somaliregion Felder und Viehbestände.

Die technologische Rückständigkeit der Bauern verschärft die ohnehin prekäre Lage. Die Anbaumethoden sind mittelalterlich, ebenso die Gerätschaften der Bauern. So ist die Hacke - oftmals noch aus Holz - das gängige Arbeitsutensil. Viele Landwirte sind zudem so arm, dass sie nicht einmal Zugtiere für den Pflug besitzen. Häufig sieht man Menschen, die ihr Feld per Muskelkraft pflügen. Seit der neolithischen Revolution hat sich hier nicht viel getan.

Die Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba hat das Problem erkannt. Doch die Lösungsstrategien sind mehr als fragwürdig. Zwar gelang es den Äthiopiern, ausländische Investoren ins Land zu holen. Diese sichern sich derzeit riesige Landflächen zum Schnäppchenpreis. Regierungschef Meles Zenawi will insgesamt 54 000 Quadratkilometer fruchtbarstes Land an Investoren verpachten.

Rund um die Hauptstadt sieht man bereits riesige Gewächshäuser, in denen Rosen für den Export gezüchtet werden. Ein Teil dieser Blumen ist auch für den deutschen Markt bestimmt. Der Wasserbedarf der Rosen ist enorm. Noch gibt es Regen. Doch in der Trockenzeit sind Konflikte mit den Bauern der Umgebung programmiert. Neben Rosen lassen internationale Unternehmen auch Gemüse und Reis anbauen. Die Firmen verfügen über Kapital, moderne Technologien und können ihre riesigen Farmen rentabel betreiben. Aber was hier angebaut wird, ist fast ausschließlich für den Export bestimmt. Wer auf den Plantagen arbeitet, verdient zudem sehr wenig. »So etwas wie einen Mindestlohn gibt es in Äthiopien nicht«, kritisiert ein Journalist in Addis Abeba, der nicht namentlich genannt werden möchte. Die einheimischen Bauern verfügen über keine Gewächshäuser. Ihre ohnehin kleinen Felder sind den gehäuft auftretenden Wetterkapriolen schutz- los ausgeliefert. Und die können innerhalb einer Stunde die gesamte Ernte zunichte machen.

Straßen bleiben unpassierbar

Auch im Simien-Gebirge will die Regenzeit nicht enden. Mitte November müssen die Bauern mit ansehen, wie ein ungewöhnlich heftiger Regen- und Hagelschauer ihre Weizenfelder zerstört. »Das ist für die Menschen eine Katastrophe«, so ein Einheimischer fassungslos. Den bettelarmen Bauern fehlt das Geld, um Getreide auf dem Markt zu kaufen. »Hier wird bald das Brot knapp«, prophezeit der Mann.

Ein weiteres Problem tut sich im tropischen Südwesten Äthiopiens auf. Die dort angebauten Früchte wie Bananen oder Mangos kommen mit dem zusätzlichen Regen relativ gut klar. Hier ist es die Infrastruktur, die den Bauern einen Strich durch die Rechnung macht. Der nicht nachlassende Regen weicht die meist ungeteerten Wege und Straßen auf. Sie bleiben so für Transportfahrzeuge unpassierbar. Die Bauern können ihre Erzeugnisse nicht auf die Märkte der größeren Städte bringen. Sie bleiben so auf ihren Bananen und Mangos sitzen. Und das in einem Land, in dem die Hälfte aller Kinder als unterernährt gilt.

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