Komplett versagt

Eine global erstellte Studie verurteilt die Agrogentechnik

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.
Zivilgesellschaftliche Gruppen von allen Kontinenten haben Material gesammelt und kommen darin überein, dass die Agrogentechnik nicht nur nicht die versprochenen Lösungen bringt, sondern vielmehr neue und gravierende Probleme schafft.

Zuletzt versuchte Monsanto, in Indien genmanipulierte Auberginen einzuführen, erzählt Vandana Shiva. Doch der Widerstand war schon im Vorfeld groß. »Der Minister führte sieben öffentliche Anhörungen durch und erließ dann ein Moratorium«, hält die Aktivistin sichtlich zufrieden fest. Monsanto wolle mittlerweile auch in Nepal mit manipuliertem Saatgut einsteigen, das Ganze laufe als Hilfsprojekt von USAID, der Entwicklungshilfeagentur der US-Regierung. Doch auch in dem kleinen Himalayastaat werde nun breiter Widerstand organisiert.

Für all diesen Widerstand ist Shiva mitverantwortlich. Seit Jahren kämpft die unter anderem mit dem sogenannten alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Inderin gegen die Praktiken von Konzernen wie Monsanto, die mit patentiertem genmanipuliertem Saatgut weltweit die Märkte stürmen und mit Lügen und politischer Macht im Rücken konventionelle Landwirtschaft zunehmend unmöglich machen. Shiva, die Weltreisende in Sachen Ernährungssouveränität, gründete die Organisation Navdanya, die in Nordindien eine Saatgutbank betreibt und ökologische Bewegungen unterstützt. Navdanya ist nun Mitherausgeberin einer Studie zu den global feststellbaren Effekten der Agrogentechnik, die Shiva gestern in Berlin vorstellte.

»Die Studie wurde ohne Bezahlung und fast ohne finanzielle Ressourcen erstellt«, erklärte die promovierte Physikerin. »Sie beruht auf dem Engagement weltweiter Gruppen.« Diese haben wissenschaftliche Befunde und Erfahrungen direkt Betroffener beigesteuert. Das Ergebnis trägt einen satirischen Titel: »Der GMO-Kaiser hat keine Kleider«. GMO steht für genetisch manipulierte Organismen, und diese Technologie sei an allen Fronten gescheitert, die damit verbundenen Versprechungen alle falsch, so das Fazit. Nun müssten diese Wahrheit nur noch möglichst viele Menschen aussprechen, wie das Kind in dem berühmten Märchen vom Kaiser.

Es sind, wie schon im Märchen, offensichtliche (und tendenziell schon länger bekannte) Tatsachen, die den »GMO-Kaiser« bloßstellen. Vandana Shiva kann den verschiedenen Verheißungen des Gentechnik-Kapitals offizielle Zahlen entgegensetzen: »Als Monsanto 1997/1998 die Bt-Baumwolle einführte, lautete das Versprechen: Pro Acre (zwei Fünftel eines Hektars; d. Red.) 1500 Kilogramm Ertrag. In Indien besagen offizielle Regierungsdaten: Es sind nur 400 Kilogramm.«

Ebenfalls regierungsamtlich sei, dass sich mittlerweile eine Viertelmillion indischer Bauern selbst umgebracht habe. Shiva behauptet, die große Mehrzahl habe das wegen der mit dem immer teurer werdenden manipulierten Saatgut einhergehenden Verschuldung getan. Doch nicht nur der wirtschaftliche Nutzen der neuen Pflanzen steht sehr in Frage. »Die Pflanzen sollten Herbizide überflüssig machen und schädlingsresistent sein«, so Shiva. Doch selbst diese zentralen Versprechungen seien nicht erfüllt worden: »Die Resultate sind desaströs.« So habe sich der Pestizidbedarf im indischen Baumwollanbau verdreißigfacht, in China verzwölffacht. Und nicht nur seien nun neue Schädlinge aufgetreten - mitunter würden eigentlich bekämpfte Pflanzen und Insekten resistent gegen die Gifte. In den USA gebe es mittlerweile 15 Millionen Acres voller resistenter Unkräuter. Monsanto empfehle da sein vom Vietnam-Krieg berühmt-berüchtigtes Gift »Agent Orange«.

Die englischsprachige Studie im Internet: www.navdanyainternational.it

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