Kein Retter in Sicht

Im Kampf um ihre Arbeitsplätze läuft den Beschäftigten von Manroland in Offenbach die Zeit davon

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn am heutigen Montag in Augsburg der Manroland-Gesamtbetriebsrat und der Wirtschaftsausschuss tagen, so könnte dabei eine Aufspaltung des Konzerns im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Während sich die Belegschaft im Augsburger Manroland-Werk Hoffnung auf den Einstieg eines Investors macht, ist für die Belegschaft in Offenbach in diesen Tagen kein »Retter« in Sicht. Zwar hätten sich schon Interessenten gezeigt und auch Nordamerikaner das Werk in der alten hessischen Industriestadt am Main angesehen, berichten Insider. Doch offensichtlich hat noch keiner von ihnen wirklich »angebissen« oder wenigstens ernsthafte Absichten geäußert.

Weil den Offenbachern die Zeit davonläuft, machten sie am vergangenen Freitag ihrer Wut Luft und marschierten durch die Wiesbadener Innenstadt zur hessischen Staatskanzlei. Dort unterstrichen Redner aus Betrieb und IG Metall die Forderung nach Landesmitteln und einer Landesbürgschaft für die Gründung einer Beschäftigungs- und Auffanggesellschaft für alle Betriebsangehörigen, die demnächst ihren Arbeitsplatz verlieren könnten.

Sie bemängelten gleichzeitig, dass die Regierung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) in Hessen im Gegensatz zu den Regierungen in Bayern und Sachsen den um ihre Zukunft bangenden Manroland-Beschäftigten die kalte Schulter zeige. Auch in Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Saarland unternähmen die Landesregierungen alles Erdenkliche, um industrielle Arbeitsplätze zu retten, meinte der Frankfurter IG Metall-Bezirksleiter Schild. Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hingegen, in dessen Wahlkreis der Betrieb liegt, sei in den letzten Wochen zu keinem Zeitpunkt auf die Belegschaft zugegangen.

Eine Petition, die Belegschaftsvertreter am 13. Dezember im hessischen Landtag eingereicht hätten, sei bisher unbeantwortet geblieben. Von den fünf Landtagsfraktionen waren bei der Kundgebung nur SPD und LINKE vertreten. Deren Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel und Janine Wissler schlossen sich den Forderungen der Belegschaft an.

Die Landesregierung engagiere sich lieber für eine Börsenfusion in New York als für die Beschäftigten des größten Offenbacher Industriebetriebs und deren Familien, kritisierte Schild: »Man wagt kaum davon zu träumen, dass sich der hessische Ministerpräsident persönlich für das Schicksal von 1900 Beschäftigten und ihren Familien, die Zukunft der Region Offenbach und den Erhalt des wichtigsten Industriebetriebes in dieser Region interessieren könnte.«

Ministerpräsident und Wirtschaftsminister müssten »kurzfristig das Unternehmen durch Bürgschaften oder Kredite finanziell unterstützen, damit Fortführungskonzepte greifen können«, verlangte die Erste Bevollmächtigte der IG Metall-Verwaltungsstelle Offenbach, Marita Weber. Nötig und denkbar seien auch Hilfen der Bundesagentur für Arbeit sowie EU-Mittel für Transfer- und Qualifizierungsgesellschaften. Die Landesregierung müsse »endlich aus ihrem Winterschlaf erwachen«, so die Betriebsratsvorsitzende Alexandra Roßel.

Mit im Regen durch die Landeshauptstadt marschierten auch zahlreiche Manroland-Auszubildende, die derzeit im Offenbacher Werk in technischen und Büroberufen ausgebildet werden. »Wer nicht kämpft, hat schon verloren«, stand auf vielen T-Shirts zu lesen.

»Auch wenn wir den Kapitalismus nicht außer Kraft setzen können, müssen wir den Druck auf die Alteigentümer massiv verstärken, um notfalls angemessene Abfindungsregelungen bezahlen zu können, die uns vor Hartz IV schützen«, erklärte der Vorsitzende der betrieblichen IG Metall-Vertrauenskörperleitung, Rainer Herth, am Wochenende auf »nd«-Anfrage. Notfalls müsse durch eine Werksbesetzung die Demontage von Maschinen verhindert und der Druck erhöht werden. Der Münchner Allianz-Versicherungskonzern, bisher Mehrheitseigentümer an Manroland, hat 17 Millionen Euro geboten, der MAN-Konzern sieben Millionen. »Das reicht vorne und hinten nicht«, meint Herth.

Demgegenüber hatte die Augsburger IG Metall nach Bekanntwerden des Angebots der beiden Alteigentümer den für Mitte Dezember geplanten Protest vor den Münchner Konzernzentralen abgeblasen. Schließlich sei das Angebot von Allianz und Manroland nur unter der Bedingung erfolgt, »dass wir gleichzeitig unsere Aktivitäten gegen unsere Anteilseigner einstellen«. Herth warnte seine Gewerkschaft vor der Versuchung, durch »vorauseilenden Gehorsam« gegenüber dem Insolvenzverwalter in Form von Tarifabsenkungen für das Offenbacher Werk verzweifelt einen Investor anzulocken.

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