Zum Wahlversprechen in kleinen Schritten

Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt: SPD steckt bei Rückkehr zum Ganztagsanspruch in selbst gestellter Falle

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsen-Anhalt sollen, so will es die SPD, wieder alle Kinder ganztags in die Kita gehen dürfen. Doch weil die Genossen auch strikt sparen wollen, stehen sie vor einem Dilemma.

Norbert Bischoff ist kein Minister, der oft für Wirbel sorgt. Ende voriger Woche schaffte es der SPD-Mann aber, die Magdeburger Landespolitik und vor allem seine Genossen in helle Aufregung zu versetzen. Der Etat für 2012/13 war eben verabschiedet, da machte eine Äußerung des Sozialministers die Runde: Der Plan, ab 2013 wieder allen Kindern die Ganztagsbetreuung in den Kitas zu ermöglichen, sei nicht zu halten - das Vorhaben sei zu teuer. Bischoff brachte eine stufenweise Einführung ins Spiel - gestreckt bis 2017.

Die Wellen schlugen hoch. SPD-Fraktionschefin Katrin Budde beteuerte per persönlicher Erklärung im Landtag, dass die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung »in dieser Legislaturperiode«, die bis zum Jahr 2016 dauert, »nicht in Frage« stehe. Wie das gelingen soll, beredeten gestern in einer - schon länger geplanten - Runde Fraktionsvorstand und Minister der SPD.

Dort saßen sich mit Bischoff und SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn zwei Protagonisten eines Konflikts gegenüber, der den Genossen bei Kommentatoren wie bei der LINKEN den Vorwurf einträgt, ein zentrales Wahlversprechen zu brechen - und in den sie sich selbst gebracht haben: den zwischen sozialer Politik und extremer Sparsamkeit. Vor der Wahl 2011 hatte die SPD, die 2003 mit der damaligen schwarz-gelben Regierung den Ganztagsanspruch für Kinder von Arbeitslosen abschaffte, die Rückkehr zu einem zentralen Wahlziel erklärt. Tatsächlich gelang es, im Koalitionsvertrag mit der CDU den »Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung« unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder zu verankern. Das Gesetz soll bis spätestens 2013 novelliert werden.

Als Bischoff freilich im Oktober die erste Vorlage präsentierte, gab es Widerstand ausgerechnet von Bullerjahn. Der hatte 30 Millionen Euro bereitgestellt. Berechnungen zufolge können aber wegen steigender Kinderzahlen und des Zieles, den Pädagoginnen mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung zu gewähren, bis zu 53 Millionen nötig sein. Bullerjahn will die Differenz nicht zahlen - und kann sich ebenfalls auf ein SPD-Wahlziel berufen: Es sei »erste Priorität«, weitere Neuverschuldung zu vermeiden, hieß es im Programm. Unterstützt von der CDU, pocht Bullerjahn nun bei allen Regierungsplänen auf einen »Finanzierungsvorbehalt«.

Das Gesetz hat der Konflikt bereits ausgebremst. Es sollte im Januar ins Kabinett kommen; nun erwarte man es »vor der Sommerpause«, hieß es gestern bei der SPD. Der »neue Vorschlag« Bischoffs zur stufenweisen Rückkehr zum Ganztagsanspruch müsse »in Ruhe diskutiert« werden. Hoffnungen, der »gordische Knoten« könne schnell durchschlagen werden, wurden gedämpft. Die CDU favorisiert schrittweise Änderungen, wobei Ministerpräsident Reiner Haseloff per Videobotschaft zunächst verlängerte Betreuungszeiten und eine Kostenentlastung für Familien in Aussicht stellt. Die Gewerkschaft GEW betont indes, auch die Bedingungen für das Personal müssten verbessert werden: Dass »schlecht ausgestattete Kitas nun wieder für alle Kinder da sind, darf nicht das Ziel sein«, sagt Landeschef Thomas Lippmann.

Die LINKE wirft der SPD derweil fehlendes Durchsetzungsvermögen in der Koalition vor. Ähnlich zäh wie die Kita-Reform kämen schließlich auch die Gemeinschaftsschule und das Vergabegesetz voran - ebenfalls zwei SPD-Kernvorhaben in der Regierung.

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