Chance oder Ausverkauf?

Milliarden aus Fernost: Chinesische Investoren drängen auf den deutschen Markt

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Kanzlerin wirbt um Investoren aus dem Reich der Mitte, während die Bundesbürger sich mehrheitlich wünschen, dass die Chinesen dem deutschen Markt fernbleiben mögen. Dabei haben sie hier längst Fuß gefasst.

Die Deutschen verlieren ihre Angst vor China. Einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins »Stern« zufolge sehen 68 Prozent der Bundesbürger den Aufstieg der Chinesen ohne größere Sorgen. Allerdings endet die Sorgenfreiheit an der eigenen Grenze: Zwei Drittel der Befragten wollen keine chinesische Investoren auf dem deutschen Markt. Die Auslagerung von Jobs ins ferne China sorgte dort für fette Handelsüberschüsse, mit denen man nun auf Einkaufstour geht - und damit Ängste weckt.

Die Ressentiments hat man auch in Peking längst bemerkt. So beschwerte sich der frühere Botschafter Chinas in Deutschland, Wei Zhaorong, gegenüber dem »Handelsblatt«, dass man in Europa die Angst vor einem Ausverkauf schüre. »Sie unterstellen, China investiere nur, um mehr politischen Einfluss zu bekommen und seine Wertvorstellungen zu installieren. Das ist nicht fair«, betonte Wei, der mittlerweile als Regierungsberater in Peking arbeitet.

Ist die Furcht vor den Investoren aus Fernost übertrieben? Ein Blick auf die Zahlen: Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums belief sich der Bestand chinesischer Direktinvestitionen im Jahr 2009 auf rund 613 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im selben Jahr summierten sich die deutschen Direktinvestitionen in der Volksrepublik auf 20,7 Milliarden Euro. Doch die Chinesen holen auf. Allein im ersten Halbjahr 2011 kauften sie hierzulande Firmen im Wert von einer Milliarde Euro. Im Bundeswirtschaftsministerium gibt man sich entspannt: Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich »mit großer Dynamik und sind dabei insgesamt gut und frei von größeren Friktionen«.

Ganz so frei von Friktionen sind sie allerdings nicht. So fürchtet man in Berlin, dass die mächtigen chinesischen Staatsfonds Zugriff auf strategische Infrastruktur gewinnen könnten. Auch der unfreiwillige Technologietransfer nach Fernost gehört zu den Bedrohungsszenarien, die immer mal wieder bemüht werden, obwohl sie längst schon Realität sind. Der Transfer läuft - allerdings in China. Die dortigen Behörden würden »Druck auf ausländische Unternehmen« ausüben, damit diese Technologien offenlegen oder an chinesische Wirtschaftsakteure übertragen, heißt es in einem Bericht des Ministeriums.

Und nun holen sich die Chinesen das Know-how gleich vor Ort? Die Furcht ist sich nicht ganz unbegründet. Denn wie es sich für ein kommunistisch regiertes Land gehört, steckt hinter der momentanen Investitionsoffensive natürlich ein Plan.

Im Rahmen des 12. Fünf-Jahres-Plans verabschiedete die chinesische Parteiführung im Jahr 2000 die »Going Global Policy«. Seitdem sind die mächtigen Staatsfonds weltweit auf Einkaufstour. Der größte von ihnen - China Investment Corp (CIC) - wird auf etwa 460 Milliarden Dollar geschätzt. Das nötige Kleingeld für große Übernahmen in Deutschland wäre also vorhanden.

Bislang interessierten sich die Chinesen hierzulande vor allem für mittelständische Unternehmen. Dabei sind es drei Branchen, die das besondere Interesse Pekings wecken: Maschinenbau, erneuerbare Energien und Autozulieferer.

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der Kauf des Essener Elektronik-Unternehmens Medion durch den chinesischen Computerhersteller Lenovo. Mehr als 600 Millionen Euro war Lenovo die Firma wert, obwohl der Aldi-Lieferant lange Zeit rote Zahlen schrieb. Solche Deals nähren den Verdacht, dass die Chinesen lediglich Zugang zu deutschen Technologien suchen.

Deshalb reagieren Belegschaften oftmals panisch, wenn die eigene Firma an chinesische Investoren geht. Jüngstes Beispiel: der Betonpumpenhersteller Putzmeister. Neuer Besitzer des schwäbischen Unternehmens ist die Sany Heavy Industry aus dem chinesischen Changsha. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Nach Angaben der Firma Putzmeister soll es sich um den bisher größten Zukauf eines chinesischen Käufers in Deutschland handeln. Somit müsste das Volumen des Deals mehr als 600 Millionen Euro betragen.

Derweil fürchten die 3000 Mitarbeiter von Putzmeister um ihre Jobs. Rund 700 von ihnen protestierten am vergangenen Montag vor der Firmenzentrale in Aichtal gegen den »Ausverkauf«.

Auch wenn die Mitarbeiter auf die Barrikaden gehen: Es handelte sich hier keinesfalls um eine feindliche Übernahme. Im Gegenteil: Firmenpatriarch Karl Schlecht hatte lange nach Käufern gesucht. An denen herrschte kein Mangel - ist das Unternehmen doch kerngesund. Den Verkauf an die Chinesen bezeichnete Schlecht als »Vorzeigebeispiel einer globalen Transaktion«. Zum ersten Mal entscheide sich ein deutscher Mittelständler für den Verkauf seines Unternehmens nach China, so der bisherige Firmeneigner.

Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche buhlt um die Chinesen. Der Manager ist seit Jahren auf der Suche nach chinesischen Investoren. Wie das »manager magazin« im Dezember berichtete, war die Suche wohl von Erfolg gekrönt. Der bereits erwähnte Staatsfonds CIC will offenbar bei den Stuttgarter Autobauern einsteigen und »einen Anteil von bis zu zehn Prozent zu übernehmen«, schrieb das »manager magazin«. Auch dieser Deal würde Sinn machen, produziert Daimler doch schon heute im Reich der Mitte. Derzeit wird jeder siebente Pkw mit dem Stern auf der Kühlerhaube in China verkauft. Tendenz steigend.

Dass die Chinesen in Deutschland auch längerfristig agieren, zeigt sich am Beispiel des Maschinenherstellers Schiess aus dem sachsen-anhaltischen Aschersleben. Seit dem Einstieg der Shenyang Machine Tool Group im Jahre 2004 hat sich die Zahl der Arbeitsplätze von 70 auf 370 erhöht. Die Chinesen steckten viel Geld in das Unternehmen, das nach der Wende von unfähigen West-Managern beinahe in den Ruin getrieben worden wäre. Heute ist Aschersleben weitgehend für die Entwicklung zuständig, während die Produktion an den verlängerten Werkbänken in China läuft. Das Ascherslebener Modell zeigt, wie die deutsch-chinesische Zusammenarbeit funktionieren könnte.

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