Für den längeren, aber verkehrsgünstigeren Arbeitsweg

Bundesfinanzhof zur Entfernungspauschale

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Bundesfinanzhof in München hat mit seiner jüngsten Mitteilung vom 8. Februar 2012 zu seinen Urteilen vom 16. November 2011 (Az. VI R 19/11 und Az. VI 46/10) konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen die Entfernungspauschale für einen längeren (statt kürzesten), aber »offensichtlich verkehrsgünstigeren Weg« zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werden kann.

Nach dieser aktuellen Entscheidung kommt es also nicht auf eine Mindest-Fahrtzeitverkürzung, sondern auf alle Umstände des Einzelfalles an.

Bekanntlich kann grundsätzlich die Entfernungspauschale nur für die kürzeste Entfernung in Anspruch genommen werden. Für den Weg zur Arbeit können Arbeitnehmer eine Entfernungspauschale von 30 Cent pro Kilometer beanspruchen, die im Rahmen der Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden darf. Ohne Weiteres wird diese sogenannte Pendlerpauschale anerkannt, wenn der Arbeitnehmer den kürzesten möglichen Weg zur Arbeit nimmt.

Etwas anderes gilt aber, wenn eine andere Verbindung »offensichtlich verkehrsgünstiger« ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes). Bisher sahen die Finanzgerichte diese Voraussetzung nur dann als erfüllt an, wenn sich durch die längere Strecke eine Fahrtzeitverkürzung von mindestens 20 Minuten ergab.

In der Sache VI R 19/11 hatte das Finanzgericht eine frühere Klage abgewiesen, weil stets eine zu erwartende Fahrtzeitverkürzung von mindestens 20 Minuten erforderlich sei. In der Sache VI R 46/10 hatte das Finanzgericht der Klage teilweise stattgegeben und bei der Berechnung der Entfernungspauschale eine vom Kläger tatsächlich nicht benutzte Verbindung berücksichtigt, die dem Finanzgericht offensichtlich verkehrsgünstiger erschien.

Keine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten erforderlich

Nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten nicht in jedem Fall gefordert werden kann. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls, wie zum Beispiel die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln oder Ähnliches, in die Beurteilung einzubeziehen. Die Rechtsvorschrift gelte für alle Arbeitswege, auch für solche, die nur 20 Minuten insgesamt in Anspruch nähmen. Damit verwarf der Bundesfinanzhof die Ansicht des Finanzamtes.

Eine Straßenverbindung kann also auch dann »offensichtlich verkehrsgünstiger« sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten ist (VI R 19/11). In der Entscheidung VI R 46/10 hat der BFH zudem klargestellt, dass nur die tatsächlich benutzte Straßenverbindung in Betracht kommt. Eine bloß mögliche, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzte Straßenverbindung kann der Berechnung der Entfernungspauschale nicht zugrunde gelegt werden.

Der Hintergrund des Streits um die Entfernungspauschale: Ein zusammen veranlagtes Ehepaar setzte für die Arbeitswege beider in der Einkommenssteuererklärung Entfernungspauschalen an. Beim Mann waren es 69 km einfache Wegstrecke an 224 Tagen, bei der Frau 30 km an 212 Tagen. Das Finanzamt erkannte jedoch nur Fahrtkosten aufgrund einer einfachen Wegstrecke von 55 km beim Mann und 22 km bei der Frau an, da die 20-Minuten-Faustregel nicht erfüllt war.

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