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Rente mit 52 - geht doch!

Bundeswehrreform treibt seltsame Blüten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr soll von 220 000 auf höchstens 185 0000 Soldaten und von 76 000 auf 55 000 Zivilbeschäftigte verkleinert werden. Dafür müssen 18 000 Zeit- und Berufssoldaten und rund 22 000 zivile Mitarbeiter die Bundeswehr vorzeitig verlassen. Wie verabschiedet man sich von ihnen?

Hans-Heinrich Dieter, geboren 1947, hat zwei Hobbys: Reiten und Reisen. Seit Dieter Pensionär ist, hat er Zeit für seinen Trakehner-Wallach Wodan. Und er bereist die Welt - von A wie Andalusien bis ... nanu? In Zypern war er noch gar nicht. Kommt noch, auch diese Mittelmeerperle wird er vermutlich bald auf seiner Website würdigen.

Dieter hatte seit 1966 bei der Bundeswehr gearbeitet und wurde nach 40 Jahren außer Dienst gestellt. Da war er Vize-Generalinspekteur und Inspekteur der Streitkräftebasis. Man kann - siehe Hobbys - davon ausgehen, dass er in eine sichere Zukunft entlassen worden ist. Denn die Welt des deutschen Militärs war da trotz wachsender global-politischer Anmaßungen reformunbeschadet.

Nun aber kommt man um - wie man in der freien Wirtschaft sagen würde - Massenentlassungen nicht herum. Und, wie in der freien Wirtschaft auch, verspricht man sozialverträgliche Modelle. Für rund 6200 Berufssoldaten, die bis 2017 ausscheiden, soll es verschiedene Anreize geben. Ähnliche Regelungen sind für etwa 3000 zivile Beamte geplant. Die Kosten des Programms werden bis 2017 über 1,1 Milliarden Euro betragen.

Ein erster Gesetzentwurf von Generalleutnant Wolfgang Born, dem Abteilungsleiter Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten im Verteidigungsministerium, kam vom Finanzministerium zurück - zerschossen wie ein Luftsack nach dem Einsatz einer schweren Flakbatterie.

Nun jedoch liegt ein bestätigter Gesetzesentwurf für einen Teil der »Überflüssigen« vor. Demnach können bis zum 31. Dezember 2017 bis zu 2170 Berufssoldaten nach einer Dienstzeit von mindestens 20 Jahren mit ihrer Zustimmung in den Ruhestand versetzt werden. Anspruchsberechtigt sind Offiziere nach Vollendung des 52. Lebensjahres. Zivilbeschäftigte können mit 60 - statt wie ursprünglich geplant mit 55 Jahren - in den Ruhestand wechseln. Erfasst sind auch jene Soldaten, die nach Vollendung des 40. Lebensjahres weder bei einer Bundesbehörde noch bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in zumutbarer Weise weiterverwendet werden können.

Für Berufssoldaten, die freiwillig beispielsweise in andere Bereiche des öffentlichen Dienstes gehen, soll es einen einmaligen Ausgleich geben: pro Dienstjahr 7500 Euro. Ursprünglich war man von 5000 Euro ausgegangen. Steuerfrei. Diese Freiheit ist nun perdu.

Nicht schlecht, wird sich manch bedürftiger Zivilist trotzdem denken. Und überhaupt: Rente mit 52 - warum nicht? Zumal Zuverdienst möglich ist. Der ist allerdings begrenzt auf 20 Prozent. Doch wohlgemerkt: Die lukrative Rentenregelung erfasst nur etwa ein Drittel der in der neuen Struktur überflüssigen Berufssoldaten und Beamten. Und die anderen? Die, so befürchtet Generalleutnant a. D. Dieter, bleiben bei vollem Gehalt in den Kasernen. Das wäre eine unwürdige Behandlung der Staatsdiener. Und vor den Kasernenmauern seien - wie Dieter befürchtet - »Neid und Häme vorprogrammiert im Sinne von ›faule Soldaten und Beamte liegen den Steuerzahlern auf der Tasche‹«.

Während der Bundeswehrverband jetzt, da das sogenannte Reformbegleitgesetz in der parlamentarischen Beratung ist, noch etwas mehr herausschlagen möchte, glaubt Verteidigungsminister Thomas de Maizière, einen »fairen Kompromiss« vorgelegt zu haben.

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