Fast eine Partei

Kommentar von Jürgen Reents

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten hat die LINKE unverhofft in eine Situation gebracht, in der sie fast alles richtig machen konnte. Doch wieder einmal - wie nach der Bundestagswahl 2009, als sie ihr zweistelliges Ergebnis zur Startrampe für ein innerparteiliches Muskelspiel nutzte - ist sie dabei, politische Vernunft zu verspielen. Etliche Genossen suchen offenbar mit mehr Energie nach dem "fast" als nach dem "richtig". Kaum hatte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch ihr erstes Telefonat mit der anerkannten Antifaschistin Beate Klarsfeld geführt, wurden weitere Namen aufs Schild gehoben, die das Programm der LINKEN besser repräsentieren würden. Geht es diesmal wirklich darum? Oder nicht doch darum, all jenen einen Bezugspunkt anzubieten, die von der Gauckschen Weltsicht, insbesondere seinem Fremdeln mit sozialer Gerechtigkeit und seiner porösen Beschönigung der Sarrazin-Thesen, ernüchtert sind? Ohnehin steht nur an, drei Wochen lang bis zum 18. März ein hör- und sichtbares, über das Eigeninteresse hinausweisendes Zeichen zu setzen. Da sind akribische Gesinnungstests, ob die Kandidatin etwa hinsichtlich des israelisch-palästinensischen Konflikts in das Strömungsraster der LINKEN passt, deplatziert. Es bedarf am Montag, wenn die Parteispitze ihre Kandidatenziehung verkündet, wohl eines tiefen Griffs in den Tuschekasten, um einen Affront gegen wen auch immer zu übermalen. Fast hätte die LINKE sich als eine, als einige Partei zeigen können, die ernsthaft in die politische und gesellschaftliche Debatte zurückkehrt. Doch die Selbstdemontage geht weiter. Wissen sollte man: Nicht aus jeder Asche steigt ein Phoenix.

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