Traum, Tod

Dórdís Björnsdottir: »Schlafsonate«

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Beinahe schlafwandlerisch nach einem Buch gegriffen, nur weil der Umschlag an William-Morris-Design - und, andersfarbig, an das Tuch erinnert, das momentan so angenehm wärmt? Die Lektüre des Romans »Schlafsonate« von Dórdís Björnsdóttir passt dazu. Die Autorin, geboren 1978 in Reykjavik, zeigt ein freundlich-nachdenkliches, klares Gesicht. Aber sie muss wohl in sehr träumerischer Stimmung gewesen sein, als sie das Buch schrieb. Vielleicht war eine Traurigkeit zu verarbeiten, wollte sie einen Verlust verklären? Wer weiß. Es ist ihr etwas Spannendes gelungen, weil der Geist beim Lesen sich der »Schlafsonate« nicht ergibt, sondern wach bleiben möchte.

Was geschieht da mit der jungen Ivana, die in eine fremde Kleinstadt kommt, nur mit zwei Schlüsseln? Bald verstehen wir: Nach ihrem Geliebten ist sie auf der Suche. Wird sie ihn finden? Arvo, der Geheimnisvolle, dessen Augen manchmal so seltsam aufblitzen und aus dem ein Ticken zu hören war. Niemand im Buch denkt an einen Wecker. Aber Ivana kauft sich ein blaues Nachtgewand, das sie auch tagsüber trägt. Ja, die »Schlafsonate«: Der hört sie so gerne zu. Ein freundlicher Mann namens Garibaldi spielt sie auf dem Klavier und hat sie offensichtlich auch komponiert. Und warum denkt sie an ihre verlorenen Plüschkatzen so, als ob sie lebendig wären?

Rätsel über Rätsel. An Stelle von Arvo tauchen andere seltsame Gestalten auf. Es gibt einen unterirdischen Gang in Ivanas Haus, der in eine Höhle mündet. Dort wacht sie auf, nachdem sie sich in einem Wald verirrte ... Es ist, als ob die Autorin ein so schönes Blumenmuster wie auf dem Umschlag weben würde. Fäden schlingen sich ineinander; wir müssen es nicht verstehen. Fantasy? Eine Jenseitsgeschichte? Oder einfach nur Traum? Man weiß doch, was in einem Traum alles Unmögliches geschehen kann - und dadurch möglich wird. Sie hätte darüber philosophieren wollen, »was Wirklichkeit ist und welche Art von Wirklichkeit real ist«, erklärt Dórdís Björnsdóttir. »Ich betrachte Fantasie und Alltag als Einheit, das ist mir sehr wichtig.«

Wer solcherlei Entgrenzung mag, kann die Lektüre genießen.

Dórdís Björnsdóttir: Schlafsonate. Aus dem Isländischen von Betty Wahl. Allinti Verlag. 143 S., geb., 17,95 €.

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