Die meisten sind ehrlich

Zahl der Betrugs- und Missbrauchsfälle bei Hartz IV ist 2011 deutlich zurückgegangen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlichte am Donnerstag ihren Jahresbericht zur »Bekämpfung von Leistungsmissbrauch«. Die Zahlen aus Nürnberg zeigen, dass Betrug und Missbrauch bei Hartz IV lediglich eine Randerscheinung sind.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat 2011 deutlich weniger Betrugsfälle von Hartz-IV-Empfängern registriert als im Jahr zuvor. Dies zeigt der BA-Jahresbericht zur »Bekämpfung von Leistungsmissbrauch«, den die Nürnberger Behörde am Donnerstag veröffentlichte. Demnach ging die Zahl der eingeleiteten Straf- und Bußgeldverfahren binnen eines Jahres um fast 50 000 auf etwa 177 000 zurück. Trotzdem: 177 000 Betrugsfälle - viele Hartz-IV-Betroffene scheinen eine erhebliche kriminelle Energie zu entwickeln, um Leistungen zu erschleichen. Doch Betrug ist nicht gleich Betrug. Die Spannbreite der Vergehen reicht von Schwarzarbeit bis zu unvollständigen Angaben über Nebeneinkommen oder Vermögen.

Ein Großteil der »potenziellen Betrüger« wurde durch automatisierten Datenabgleich erwischt. Diese elektronische Durchleuchtung von Millionen Hartz-IV-Beziehern erfolgt vierteljährlich, ohne dass die Betroffenen davon erfahren. Im Zuge dieses Verfahrens werden die Daten jeder Person abgeglichen. So wird geprüft, ob derjenige etwa andere Sozialleistungen bezieht. Ferner sucht man nach möglichen Nebenjobs sowie Freistellungsaufträgen und Altersvermögen. So kann die Software feststellen, ob neben der Grundsicherung weitere Einkommen erzielt werden oder jemand heimlich Vermögen versteckt. Bei der BA schwört man auf die »effektive« Methode: Knapp 50 Prozent der Straf- und Bußgeldverfahren wurden aufgrund von »Erkenntnissen aus dem Datenabgleich« eingeleitet, so der Bericht.

Insgesamt schlugen die Computer im letzten Jahr 4,8 Millionen Mal Alarm, weil sie »Überschneidungen« entdeckten. Allerdings entpuppten sich die meisten als Fehlalarm. In etwas mehr als 116 000 Fällen ergab sich tatsächlich eine »Überbezahlung«, wie es im Bericht heißt. Auch das Gesamtvolumen dieser Unregelmäßigkeiten nimmt sich bescheiden aus: Gerade einmal 59,9 Millionen Euro. Peanuts im Vergleich zu den 12,3 Milliarden Euro, die die Jobcenter für das Arbeitslosengeld II bereitstellten.

Hinzu kommt, dass man vielen »Betrügern« nicht einmal Absicht unterstellen kann. So wurden im Vorjahr mehr als 25 000 »Verwarnungen ohne Verwarngeld« ausgesprochen, weil es sich um Lappalien oder unabsichtliche Versehen der Betroffenen handelte, wie eine BA-Sprecherin gegenüber »nd« betonte. »Die meisten unserer Kunden sind ehrlich. Wir haben 4,5 Millionen Leistungsbezieher und nur 177 000 Betrugs- oder Missbrauchsfälle«, stellte die Sprecherin klar. Damit liegt die Quote unter vier Prozent.

Zu jenen vier Prozent zählten die 47 500 Fälle, in denen der Zoll wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit eingeschaltet wurde. Laut BA ein Minus von 9,1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Zudem wurden auch deutlich weniger Fälle wegen eines »begründeten Straftatverdachts« an die Staatsanwaltschaft überreicht. Diese Zahl ging um 16,7 Prozent auf rund 20 000 Fälle zurück. In den meisten Fällen verhängen die Jobcenter jedoch selbst die Strafen, also Verwarnungsgelder oder Geldbußen. Im Durchschnitt lagen diese 2011 bei 111,73 Euro pro Fall.

Die Behörde macht gleich mehrere Gründe für den Rückgang der vermeintlichen Betrugsfälle aus. Neben statistischen Effekten nennt der Bericht auch die »verbesserte qualifizierte Erstberatung und Antragsprüfung«. Offenbar ließ die entsprechende Beratung in den Jobcentern bislang zu wünschen übrig. Kommentar Seite 4

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