Kindheit am Kap
Mark Behr: Blick zurück
Heimkehr und der damit verbundene Blick in die Vergangenheit sind ein wenig überraschendes literarisches Motiv in neueren südafrikanischen Romanen. So hat auch der 1963 in Tansania geborene, in Südafrika aufgewachsene und nun in den USA lehrende Schriftsteller Mark Behr sein neues Buch »Wasserkönige« der (vorübergehenden) Rückkehr eines Exilanten in das Land am Kap gewidmet.
Hauptfigur Michiel Steyn reist aus den USA zur Beerdigung seiner Mutter in die Karoo der östlichen Kapregion, und wegen eines Sturms verzögert sich seine Rückreise noch ein wenig. Zeit genug, um mit Freunden von früher und den weniger gewordenen Verwandten Dinge zu klären, die allzu lange ungeklärt geblieben waren. Zeit genug überdies, um nach dem Ende der Apartheid den gesellschaftlichen Wandel, der sich auch im ländlichen Südafrika niederschlägt, zu kommentieren - aus der Distanz des einst degradierten und ausgereisten Soldaten heraus, aber mit dem Verständnis des dort jahrelang zu Hause gewesenen, privilegierten Farmersohns.
Wie schon in seinen Romanen »Embrace« und dem auch ins Deutsche übersetzten und unlängst verfilmten »Krokodile weinen nicht« nimmt Behrs Erzähler Steyn eine Perspektive aus der Kindheit ein, schildert er auch sexuelles Erwachen und das schwierige Akzeptieren von Homosexualität. So strahlt der Roman »Wasserkönige« - der Titel spielt auf glücklich und unbeschwert im Wasser spielende Kinder an - eine retrospektiv melancholische Stimmung aus, eine wehmütige Güte zugleich, die zur Atmosphäre des Vergebens im neuen Südafrika passt.
Sachte tastet sich Steyn an heikle Punkte des familiären Zusammenlebens sowie der zusammengebrochenen Hierarchie eines Farmbetriebs heran. So kontrastiert Behr anspielungsreich die Farmromane von Olive Schreiner oder André Brink mit der jüngeren städtischen südafrikanischen Literatur etwa von K. Sello Duiker oder Zoë Wicomb. Zudem macht die extreme Visualität und präzise Detailliertheit von Behrs Stil die Lektüre des Buchs »Wasserkönige« zu einem bewegenden und tiefgehenden Erlebnis.
Mark Behr: Wasserkönige. Roman. Aus dem Englischen von Michael Kleeberg. Verlag Das Wunderhorn, 265 S., geb., 24,80 €.
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