Zwei Köpfe, ein Programm

Kramp-Karrenbauer und Maas führen einen Schaukampf

  • Oliver Hilt
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Wahlkampf, an dessen Ende eine angekündigte Große Koalition wartet, kämpfen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und SPD-Chef Heiko Maas um Platz eins. Inhaltlich sind sich beide in Sondierungsgesprächen nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition schon recht nahe gekommen.

Annegret Kramp-Karrenbauer, deren CDU in letzten Umfragen knapp hinter der SPD lag, vergleicht den Wahlkampf gern mit einem Radrennen: möglichst lange im Windschatten fahren und auf den letzten Metern überholen. Heiko Maas, leidenschaftlicher Triathlet, setzt auf Ausdauer. Für beide gilt im Wettkampf um die Saarbrücker Staatskanzlei trotz zunehmender Schärfe in der letzten Wahlkampfphase das sportliche Gebot der Fairness. Schließlich wollen sie für die nächsten fünf Jahre gemeinsame Sache in einer Großen Koalition machen.

So unterschiedlich wie die Ausgangslage sind auch die Charaktere. Für die 49jährige Kramp-Karrenbauer ist der Wahlkampf eine Premiere. Sie hat erst Mitte vergangenen Jahres die Doppelspitze in Regierung und Partei übernommen. Auf Großflächenplakaten präsentiert sich die Amtsinhaberin volksnah im Gespräch mit Bürgern, etwa an einer Ladenkasse. Das SPD-Plakat mit dem Konterfei von Maas präsentiert schlicht den »neuen Ministerpräsidenten«. Besser hätten die Marketingstrategen der Parteien die unterschiedlichen Stärken der beiden Spitzenkandidaten kaum treffen können.

Als Kramp-Karrenbauer vor einem Jahr von der Saar-CDU zur Doppelnachfolgerin von Peter Müller in Partei und Landesregierung nominiert wurde, war das von Müller zusammengehaltene »Jamaika«-Bündnis noch ein »Projekt«. Bei der Wahl zur Regierungschefin ein halbes Jahr später fehlte Kramp-Karrenbauer selbst im zweiten Wahlgang noch eine »Jamaika«-Stimme; überdeutlich war damit, dass sich die »Projekt«-Partner gar nicht mehr so grün waren.

Mit der Beendigung der Koalition zeigte Kramp-Karrenbauer nicht nur Führungsstärke. Sie trat zugleich aus dem Schatten des politischen Alphatiers Müller heraus. Zwölf Jahre lang war sie für ihren Vorgänger eine Art politische Allzweckwaffe in verschiedenen Kabinetten. Soziales und Arbeit, Bildung und Kultur sowie Inneres und Sport waren ihre Stationen, Ressorts, in denen die Länder noch einen Rest an Gestaltungsspielraum haben. Sie gilt als Chefin, die zunächst zuhört, dann aber zumeist ihre Entscheidungen alleine trifft und durchsetzt.

Dabei ist sie kein Mensch, der sich in den Vordergrund spielt oder mit Ellbogen um Posten kämpft. Verheiratet mit einem Bergbauingenieur ist sie als Mutter von drei Kindern bodenständig geblieben. Das Wahlplakat-Foto entstand an der Kasse in dem Einkaufsmarkt, in dem sie Kundin ist. Wenn sie Sportveranstaltungen besucht, ist ihr Platz zumeist inmitten der Zuschauerränge. Als Büttenrednerin glänzte sie zuletzt in der Rolle einer Putzfrau und witzelte über sich selbst: Womöglich werde sie die Ministerpräsidentin mit der kürzesten Amtszeit, aber sicher die mit dem längsten Namen.

Heiko Maas (45) hat bei dieser Wahl die Chance, sein hartnäckig haftendes Image als Verlierer abzulegen. 2004 war er im ersten Anlauf gegen einen übermächtigen Peter Müller chancenlos. 2009 scheiterte er, schon auf der Zielgeraden, an der Koalitionsentscheidung der Grünen.

Die politische Laufbahn von Maas ist eng mit Oskar Lafontaine verbunden. 1996 beförderte der damalige SPD-Ministerpräsident Lafontaine Maas vom Juso-Landesvorsitzenden zum jüngsten Staatssekretär (Umwelt, Energie, Verkehr). Nach dem Wechsel des Chefs in die Bundespolitik wurde Maas 1998 jüngster Minister (Umwelt) Deutschlands. Nur ein knappes Jahr später musste er nach dem Wahlsieg der CDU den Ministersessel räumen, ist seither Oppositionsführer im Landtag und seit 2000 SPD-Landeschef. Dem Vernehmen nach soll Lafontaine selbst seinen einstigen Schützling zur Gegenkandidatur gedrängt haben, als Kramp-Karrenbauer am 8. August 2011 zur Ministerpräsidentin gewählt wurde. Dass danach hinter den Kulissen schon über eine Große Koalition diskutiert wurde, wird von allen denkbaren Beteiligten bis heute dementiert. Jedenfalls trimmte Maas seither seine SPD auf Regierungstauglichkeit, unter anderem durch eine Kehrtwende in Sachen Schuldenbremse, die er seither akzeptiert.

In den großen landespolitischen Fragen lassen sich zwischen Kramp-Karrenbauer und Maas kaum Unterschiede ausmachen. Zum Einhalten der Schuldenbremse wollen sie im öffentlichen Dienst einsparen, die Bildung dabei möglichst verschonen. In der Wirtschafts-, Industrie- und Energiepolitik herrscht weitgehend Übereinstimmung, in der Bildungspolitik unterscheidet man sich allenfalls in Details. Hauptstreitpunkt sind die unterschiedlichen Positionen beim Thema Mindestlohn, wobei beide auf dem Kurs ihrer jeweiligen Bundesparteien liegen.

Sowohl Kramp-Karrenbauer als auch Maas gelten als eher unideologisch-pragmatisch. Beide beschreiben den jeweils anderen als »sachlich«. Und wenn Kramp-Karrenbauer ergänzt: »befreundet sind wir nicht«, klingt das wie ein laues Dementi.

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