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Sonnenstrom ins Dorf

Der südsenegalesische Ort Baïla ist Vorreiter für Verbesserung der Lebensbedingungen durch Solarenergie

  • Dierk Jensen
  • Lesedauer: 6 Min.
Im Oktober 2008 wurde in der senegalesischen Provinz Casamance die erste solare Notstromanlage für eine Krankenstation eingeweiht. Die Initiative gilt als Musterbeispiel für ländliche Elektrifizierung durch Dorfgemeinschaft und Regierung.

Das Solardach auf der Gesundheitsstation in Baïla, Senegal, versandet regelmäßig und muss dann gereinigt werden.
Im Oktober 2008 wurde in der senegalesischen Provinz Casamance die erste solare Notstromanlage für eine Krankenstation eingeweiht. Die Initiative gilt als Musterbeispiel für ländliche Elektrifizierung durch Dorfgemeinschaft und Regierung. Das Solardach auf der Gesundheitsstation in Baïla, Senegal, versandet regelmäßig und muss dann gereinigt werden.

Das westafrikanische Senegal hat ehrgeizige Ziele. Es will im nächsten Jahrzehnt den ländlichen Raum vollständig elektrifizieren. Dabei werden Sonne, Wind und Biomasse eine wichtige Rolle spielen - wie im südsenegalesischen Dorf Baïla schon heute zu beobachten ist.

Die Gezeiten spielen in der tropischen Casamance eine große Rolle. Ebbe und Flut reichen über ein verzweigtes Flusssystem bis weit ins Landesinnere der südsenegalesischen Region hinein. Auch der Fluss Marigot de Baïla, der am gleichnamigen Ort vorbeifließt, liegt rund fünfzig Kilometer landeinwärts von der Atlantikküste bei Ebbe trocken. Scharen von Pelikanen waten dann durch das Flussbett.

Ähnlich wie die Gezeiten verhält es sich mit dem Strom aus der Steckdose im 2000 Einwohner zählenden Baïla: Er kommt und geht. »Wir haben hier ständig Stromausfälle«, klagt Bauer Abasse Goudiaby, »manchmal gibt es tagelang keinen Strom.« Dann gibt es kein Licht mehr, kein Mobiltelefon lässt sich aufladen, keine Nähmaschine rattert, Wasserpumpen versiegen, Radios und Fernseher senden nicht und auch die Lautsprecher des Muezzin bleiben stumm.

Überall im westafrikanischen Senegal ist das Stromnetz überlastet, es bricht regelmäßig zusammen. Kein Wunder, der Bedarf der heute rund 12 Millionen Senegalesen wächst jedes Jahr um durchschnittlich acht Prozent. Dabei gelingt es dem staatlichen Stromversorger Société nationale d'Electricité (Senelec) nur mühsam, dieser steigenden Nachfrage mit neuen Kraftwerken zu entsprechen. Der teilweise veraltete Kraftwerkspark umfasst weniger als 500 Megawatt. Ausgerechnet ein Kohlekraftwerk, das, schenkt man den Gerüchten Glauben, Chinesen bauen wollen, soll Abhilfe schaffen.

Bei Stromausfall springt Fotovoltaik ein

Ganz abgesehen von den Stromausfällen ist es aber so, dass zu vielen ländlichen Gebieten, ganz anders als in Baïla, das an der Hauptstraße Nummer 5 in Richtung Provinzhauptstadt Ziguinchor liegt, noch keine Stromleitungen führen. So gehen Experten davon aus, dass überhaupt erst ein Drittel der ländlichen Bevölkerung ans öffentliche Stromnetz angeschlossen ist.

Baïla verfügt über eine Krankenstation, zu der die Menschen im Umkreis von vielen Kilometer kommen, um sich behandeln zu lassen. Für die dort arbeitenden Mediziner und Pfleger war es in der Vergangenheit besonders heikel, wenn wegen längeren Stromausfalls die Kühlaggregate ausfielen. Wichtige Medikamente und lebensrettende Blutkonserven konnten nicht mehr ausreichend gekühlt werden und verdarben. Ein plötzlicher, nächtlicher Stromausfall war dramatisch, wenn in der Entbindungsstation eine schwierige Geburt zu bewältigen war.

Solche Situationen gehören seit Mai letzten Jahres der Vergangenheit an: Eine Fotovoltaik-Anlage mit einer Leistung von fünf Kilowatt auf dem Dach der Krankenstation speist Batterien, die bei Netzausfällen den nötigen Strom ersetzt. So dient die gespeicherte Solarenergie als Notstromaggregat und liefert bei funktionierendem Netz zusätzlich Strom.

Initiiert hat dieses Projekt die deutsche Kaïto Energie AG mit Sitz in München, die in moderne Infrastruktur für ländliche Elektrifizierung investiert. Kaïto, das für ihre Aktivitäten im Jahr 2009 den deutschen Solarpreis erhielt, spornt dabei vor allem lokale Akteure in verschiedenen afrikanischen Ländern an, Dorfstromanlagen auf der Basis erneuerbarer Energien zu entwickeln. Kaïto will damit nicht nur kurzatmige Wohltaten bewirken, sondern langfristige Entwicklungen anschieben, die sich ökonomisch tragen. »Strom ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht die Gründung von Handwerks- und Produktionsbetrieben. So entsteht Schritt für Schritt ein Wirtschaftskreislauf, der die Menschen unabhängig von fremder Hilfe macht«, unterstreicht Kaïto-Geschäftsführerin Heidi Schiller.

Verknüpft mit Wasser und Landwirtschaft

Drei Meter hoch ragt die Hirse von Abasse Goudiaby in den Himmel. Der Mann, der in Kooperation mit Kaïto die Solaranlage federführend vor Ort betreut, bewirtschaftet einen Bauernhof mit 1,5 Hektar Ackerland und insgesamt zehn Rindern, davon sieben Kühen. Goudiaby kommt ursprünglich aus der Gegend, emigrierte als junger Mann nach Frankreich, weil er in der Casamance keine Perspektive sah. Erst vor einigen Jahren kehrte er in seine Heimat zurück.

Für ihn ist die Fotovoltaik-Anlage nur ein Baustein im geplanten Umbau seines Dorfes. Denn Goudiaby begreift Landwirtschaft, Wasser und Energie als Bereiche, die eng miteinander verwoben sind. So will der 55-Jährige das dörfliche Beweidungssystem, bei dem Kühe und Ziegen bisher unkontrolliert querbeet durch die Landschaft ziehen und jegliches Grün abknabbern, beenden. »Ich beabsichtige in Zukunft, meine Kühe einzuzäunen«, sagt Goudiaby.

Hinter seinem Haus zeigt der Senegalese, wie er das anpacken will. Goudiaby pflanzt Hecken aus Jatropha, die mittelfristig das Pflanzenöl für ein dörfliches Blockheizkraftwerk oder für einen Traktor bereitstellen könnten. »Allerdings ist es bis dahin noch ein langer Weg. Erst einmal müssen wir uns um geeignetes Pflanzmaterial kümmern, dann um einen gemeinschaftlichen Anbau, für den wir auch Wasser brauchen, das wir momentan aber noch gar nicht in ausreichender Menge haben.«

Die Krankenstation von Baïla liegt ungefähr 200 Meter vom Hof Goudiabys entfernt. Ein Sandweg führt dorthin, vorbei am Dorfplatz, vorbei an großen Kapok- und Mangobäumen. Obwohl die Regenzeit erst in Monaten beginnt, ist es schwül-warm. Frischer Reis, der in den Niederungen des Flusses angebaut und per Hand geerntet wird, liegt auf vielen Innenhöfen ausgebreitet auf dem Boden zum Trocknen aus.

Vor der Krankenstation steht ein Krankenwagen, der unter anderem bei Infarkten, schweren Unfallverletzungen, heftigen Malaria-Erkrankungen oder auch bei schwierigen Geburten Patienten und schwangere Frauen ins Krankenhaus der Provinzhauptstadt Ziguinchor fährt. »Das passiert sehr selten«, sagt Pape Assane Coly in den Räumen der Station, die er als medizinisch ausgebildeter Pfleger leitet. »Seitdem wir die Solaranlage haben, habe ich die Sicherheit, dass zu jeder Zeit alle wichtigen Medikamente gekühlt sind. Gerade die Malariamittel brauche ich ständig.«

Wichtiges Ziel: Baldige Elektrifizierung

Ländliche Elektrifizierung ist eines der großen entwicklungspolitischen Ziele, die die derzeitige senegalesische Regierung schon im nächsten Jahrzehnt vollendet haben will. So hat Staatspräsident Abdoulaye Wade in seiner Neujahrsansprache das Thema zu einem der wichtigsten nationalen Herausforderungen erkoren. »Bei uns leben etwa sieben Millionen in den ländlichen Regionen. Der Hälfte von ihnen wollen wir bis Ende 2012 eine Stromversorgung bieten«, erklärt Modibo Diop, Chef der Agence Sénégalaise d'Electrification Rurale (ASER) in der Hauptstadt Dakar. Wenn es nach Diop geht, dann gibt es spätestens 2017 in jedem noch so weit entfernten senegalesischen Dorf elektrisches Licht.

Nicht jedes Dorf will so lange warten, investiert schon jetzt in Inselnetze, die wahlweise mit Dieselgeneratoren und Solarenergie angetrieben werden. Dagegen ist dezentraler Strom aus Biogas noch gar kein Thema, während über kleine Windpropeller inzwischen vielerorts laut nachgedacht wird. »Der Preis für Solarstrom hierzulande ist heute schon günstiger als ölbasierter Strom«, sagt ASER-Chef Diop und verweist auf inzwischen Hunderte von Fotovoltaik-Anlagen mit mehr als einem Kilowatt Leistung und weitere 10 000 Solar-Home-Systeme, die zumeist mit Hilfe von europäischer Entwicklungshilfe in Senegal installiert wurden. Zusammen verfügt das Land so über eine solare Leistung von rund 2,5 Megawatt.

Die Mini-Solaranlagen stellen mit ein paar hundert Watt Leistung den Strom für Radio und Fernsehen oder auch für Ladestationen von Mobilfunktelefonen bereit. Gerade Handys sind nicht nur im Senegal, sondern überall in Afrika stark im Kommen. Überall im Land werden von den prosperierenden Telefongesellschaften Funkmasten errichtet. So erlebt man die kuriose Situation, dass in vielen Landesteilen nicht genug Wasser für die Landwirtschaft vorhanden ist, es in vielen Dörfern gar keinen Stromanschluss gibt, dafür aber im fernsten Busch der Ziegenhirte plötzlich sein Handy selbstverständlich aus der Tasche zieht.

Eine afrikanische Revolution, die auch in Baïla nicht haltmacht. Denn wenn es mal technische Probleme mit der Solaranlage gibt, dann greift Bauer Goudiaby zum Mobiltelefon, ruft einen Kundenbetreuer vom Modulhersteller Schott Solar in Deutschland an und versucht on air das Problem zu lösen. Manchmal klappt das sogar. Solar sei Dank.

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