Den Windmüllern fehlt Rückenwind

Potenzial für Repowering in Sachsen niedriger als erhofft / Verband will mehr Vorrangflächen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn Sachsen seine Ziele für Windstrom erreichen will, müssen mehr geeignete Flächen genehmigt werden. Das Potenzial für die Modernisierung von Anlagen ist geringer als erhofft.

Auf dem Hirtstein drehen sich seit 20 Jahren Windräder: Fünf Anlagen wurden dort auf dem Kamm des Erzgebirges einst errichtet. Sie sind heute veraltet; die Betreiber wollen gern neue, stärkere Mühlen errichten. Doch es gibt Probleme: Windräder dürfen in Sachsen seit gut zehn Jahren nur noch in Vorranggebieten aufgestellt werden. Der Naturpark Erzgebirge gehört nicht dazu.

Derlei Hindernisse bringen den Ausbau der Windenergie im Freistaat ins Stocken. Der Verein zur Förderung der Erneuerbaren Energien (VEE) hat jetzt eine Umfrage zum »Repowering« durchgeführt, also dem Ersetzen alter durch neue, stärkere Generatoren. VEE-Präsident Wolfgang Daniels nennt die Ergebnisse »ernüchternd«. Nur jeder vierte Anlagenbetreiber hat konkrete Ausbauabsichten, ein weiteres Viertel kann sich das in den nächsten Jahren vorstellen. Die Hälfte winkt ab. Manche Windräder sind gerade abgeschrieben und beginnen, Gewinne abzuwerfen. Andere Betreiber scheuen die hohen Investitionen: Ein Windrad kostet heute bis zu fünf Millionen Euro; in den 90er Jahren war es teils nur ein Zehntel. Mancherorts werden zudem die komplizierten Absprachen mit einem oft üblichen Geflecht von Betreibern gescheut. Vielfach stellen sich aber Planungsgenehmigungen und gesetzliche Vorschriften als eigentliche Hürden heraus.

Manchmal sind Abstands- und Höhenvorgaben das Problem. Der VEE hält es zwar für richtig, dass Windräder, die heute inklusive der Flügel im Schnitt 180 Meter hoch sind, 750 bis 1000 Meter von Wohnhäusern entfernt sein müssen. Weil früher kleinere Abstände galten, können aber viele bestehende Standorte nicht für moderne Windräder genutzt werden. An anderen Orten ist die Lage wie am Hirtstein: Von derzeit 840 Anlagen in Sachsen wurden 150 an Plätzen gebaut, die später nicht zum Vorranggebiet erklärt wurden - und dürfen also nicht erneuert werden.

Das Ziel des Freistaats, der den Anteil der Windenergie am Stromverbrauch von heute 1350 Gigawattstunden (sieben Prozent) auf 3500 GWh in naher Zukunft erhöhen will, ist so kaum umzusetzen. Während Länder wie Bayern den Bau von 1200 Windrädern planen, wurden in Sachsen voriges Jahr gerade 15 neue Anlagen errichtet. Die bestehenden Vorranggebiete seien seit vier Jahren voll, sagt Daniels. Eine Expansion findet nicht statt - im »krassen Gegensatz zu allen Nachbarländern«, wettert er. Brandenburg und Sachsen-Anhalt stellten zwei Prozent ihrer Landesfläche zur Verfügung; in Sachsen seien es 0,3 Prozent. In der Rangliste der Windkraftländer sei der Freistaat von Platz fünf auf Rang elf abgerutscht, bedauert der VEE - obwohl das Windpotenzial höher ist als etwa in Brandenburg.

Immerhin gibt ein Klima- und Energieprogramm der Staatsregierung Anlass zur Hoffnung; dort wird unter anderem eine Verdoppelung der Vorrangflächen für die Windenergie ins Auge gefasst. Der VEE hält 0,7 Prozent aber für noch immer zu wenig. Außerdem dürften im Gegenzug nicht die übrigen Gebiete ausgenommen werden; es sollten vielmehr zusätzliche »Eignungsflächen« ausgewiesen werden, sagt Daniels. Diese könnten auch im Wald liegen: Der VEE hält den Bau von Windrädern über den Baumkronen für denkbar, wenn es sich um reinen Nutzwald handle.

Um den Ausbau der Windkraft und vor allem das Repowering voran zu bringen, hält der Verband zudem Runde Tische für notwendig, die von der Sächsischen Energieagentur ausgerichtet werden sollten und die Interessen von Betreibern, Kommunen und Anwohnern moderieren, bei Konflikten vermitteln und Lösungen für einzelne Problemfälle finden sollen - wie am Hirtstein. Dort sind die Voraussetzungen gut: Weil die Stadt Marienberg an den Windrädern beteiligt ist, haben die Anwohner großes Interesse am Weiterlaufen.


Lexikon

Als Repowering wird das Ersetzen alter durch neue, leistungsstärkere Windkraftanlagen bezeichnet. Die Nabenhöhe beträgt oft 140 statt 60 Meter wie bei früheren Anlagen, wobei ein Meter Höhenzuwachs rund ein Prozent mehr Ertrag zur Folge hat. Neue Anlagen sind deutlich teurer: Sie kosten 3,5 bis 5 Millionen Euro. Bei 3000 Volllaststunden pro Jahr sind laut VEE die Kosten binnen sieben bis zehn Jahren wieder eingespielt. Von 2000 bis 2010 blieb der Ertrag in Sachsen freilich bis zu 30 Prozent unter solchen Prognosen. 2012 ist bisher aber ein gutes Windjahr. hla

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