Das Umdenken der »Hibakusha«

Der Widerstand gegen die Atomkraft wächst auch in Japan - Filmbericht aus Fukushima

  • Hagen Jung, Dannenberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Eindrücke aus Fukushima, wo am 11. März 2011 eine atomare Katastrophe begann, haben die Linksparteiabgeordnete Dorothée Menzner und der Journalist Ralph T. Niemeyer in einem Film zusammengefasst. Premiere hatte er am Montag in Dannenberg, wenige Kilometer von Gorleben entfernt.

»Hibakusha« (»Explosionsopfer«) - der Film ist mit jenem Wort betitelt, das in Japan die Überlebenden der Atombomben-Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki bezeichnet. Die Betroffenen der Katastrophe von Fukushima sind die neuen »Hibakusha«, sagte Dorothée Menzner, energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, bei der Vorstellung des Films. Dessen Betrachter können sie miterleben, die beängstigende Stille der verödeten Dörfer in der verstrahlten Zone. Auch in die Stadt Fukushima führt die Kamera. Nicht nur dort fällt auf: Zur dunklen Tageszeit sind die Städte sehr hell. An Leuchtreklamen wird nicht gespart, und auch an anderen Stromfressern nicht. Beheizte Klobrillen sind selbstverständlich. Und all das funktioniert, obwohl mittlerweile 51 von 54 Atomkraftwerken im Land abgeschaltet worden sind.

»Japan benötigt keine Atomkraft«, hören Menzner und Niemeyer von einem Experten. Die konventionell gewonnene Energie reiche aus, zudem werde immer mehr für Erneuerbare getan. Warum dann nicht der totale Ausstieg? Weil Konzerne erhebliche Gewinne durch Atomkraft erzielen. Auch wolle Japan jene Anlagen erhalten, die für den Bau von Atombomben notwendig sind - »für den Fall der Fälle«. Noch hat das Land keine Nuklearwaffen.

Die mit der Atomkraft verbandelten Konzerne, berichtet ein Japaner, täuschen der Bevölkerung vor, dass Atomenergie notwendig sei, um die Wirtschaft in Gang zu halten, um Arbeitsplätze zu sichern. Jene Unternehmen hoffen, dass die Bevölkerung vom Anti-Atomkraft-Kurs wieder umschwenkt. Filmaufnahmen von Demonstrationen unterstreichen die Tatsache, dass nach Fukushima über 70 Prozent der Japaner zu Atomkraftgegnern geworden sind - Tendenz steigend. Die ganze Wut offenbart sich auf den Demos. Wut auf eine Regierung, die sich dem Druck der Konzerne beuge und zu wenig tue, um den Folgen der Katastrophe Herr zu werden. Wut auf die Medien, die vieles verharmlosen. Wut auf die Profiteure, die mit einer todbringenden Technologie weiter Geld scheffeln und den Menschen mit der Lüge Angst machen, ohne Atomkraft würden die Strompreise steigen.

AKW-Unternehmen wie Tepco, Betreiber der Anlage in Fukushima, seien nur die Handlanger gieriger Konzerne, heißt es im Film. Diese aber seien in mafiös anmutenden Strukturen verschachtelt. Es sei nahezu unmöglich, im »schwarzen Loch des Atomkapitalismus« zu recherchieren. Aber nach längerem Stochern stoße man auf vertraute Namen, nicht zuletzt auf die Deutsche Bank. Diese ist demnach mit zwölf Prozent an Tepco beteiligt.

Auch in Japan wächst die Überzeugung: Nur im Kapitalismus können Atomindustrie und verbundene Konzerne profitieren. Veränderungen sind nötig, nicht nur in Japan. »Gegen globale Konzerne kommt man nur gemeinsam an«, betont ein Gesprächspartner von Menzner und Niemeyer. Vor diesem Hintergrund kommen japanische Atomkraftgegner im Herbst dieses Jahres nach Deutschland. Sie wollen Gleichgesinnte treffen und aus deren Erfahrungen lernen - sowohl für den Aufbau erneuerbarer Energien als auch in punkto Widerstand.

Der Film wird bis Ende Mai in mehreren deutschen Städten gezeigt. Die Termine sind auf der Homepage von Dorothée Menzner (www.dorothee-menzner.de) zu finden.

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